Schweizer Revue 1/2018
14 Schweizer Revue / Januar 2018 / Nr.1 Schlittens entstehen nämlich gewis- sermassen im Kochtopf. Zumindest tönts bei Burri wie in einer Küche: «Die für die Kufen bestimmten Holz- teile werden im Nassdampf bei 150 Grad Celsius eine Stunde lang ge- kocht.» Anschliessend werden die Teile gebogen und fixiert. Sind sie ab- gekühlt undwieder trocken, bleibt die Biegung bestehen. Allerdings ist kein Gesellschaft Handarbeit nach Mass: Schreiner Paul Burri fertigt in seiner kleinen Bude im Jahr 200 bis 300 Schlitten. Fotos Adrian Moser MARC LETTAU In der kleinen Schreinerei von Paul Burri im bernischen Lohnstorf wird es auf Anfang Winter jeweils eng. Dann nämlich bestimmt ein Thema alles: der Schlitten. In der einen Ecke liegen zugesägte hölzerne Teile parat. In der anderen Ecke stapeln sich fer- tige Schlitten bis fast zur Decke. Und draussen überzuckert Schnee das Strässchen, an demBurri arbeitet und lebt. Es ist dasselbe Strässchen, das Burri in seiner Kindheit zusammen mit seinen Brüdern für rasante Schlit- tenfahrten nutzte. Zwar streute der Strassendienst der Gemeinde der Sicherheit wegen damals Kies auf den festgefahrenen Schnee. Aber die Bur- ri-Buben schoben jeweils die brem- senden Steinchen mit ihrem selbstge- bauten Pflug aus der Fahrbahn – und ab ging die Post. Jetzt, gut ein halbes Jahrhundert später, ist Paul Burri der Schlittenmacher der Gegend. Nicht nur Burri hat Kindheitserin- nerungen ans Schlitteln: Der Schlitten ist das Objekt, das praktisch jede schweizerische Kindheit mitprägt. Kaumschneits, rutschen oder purzeln die Jüngsten mit dem hölzernen Vehi- kel den erstbestenHügel hinunter, be- gleitet von Eltern oder Grosseltern, die früher das Gleiche taten. Und oft ist der Schlitten ein «Davoser». Dieser Archetyp des Schweizer Holzschlit- tens veränderte sich über all die Gene- rationen nicht. Zwingend aus Eschenholz DieDauerpräsenz dieses Schlittens ist Burri und einemDutzendweiterer Be- triebe imLande zu verdanken. Sie füh- ren das Schlittenmacherhandwerk weiter und wissen, was den guten Schlitten ausmacht: Er muss zwin- gend aus Eschenholz gefertigt sein. Dieses Holz ist hart, zäh, langfaserig und elastisch zugleich. Somit lassen sich die Kufen des Schlittens gut bie- gen. Und die Sitzlatten federn, ohne zu brechen. Burri ist Schreiner. Aber jeder Schlittenmacher ist auch ein wenig Koch. Die hochgebogenen Kufen des Mit dem «Davoser» gehts bergauf Ursprünglich waren die kleinen Holzschlitten für Warentransporte gedacht. Doch 1888 lancierte ein Schreiner den «Davoser Sportschlitten». Seither ist das museale Vehikel aus dem schweizerischen Winteralltag nicht mehr wegzudenken. Und Schreiner wie Paul Burri halten seine Tradition am Leben.
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