Schweizer Revue 1/2018

17 Schweizer Revue / Januar 2018 / Nr.1 Literaturserie auch in seinem späteren Wirken als Kolumnist der Basler Nationalzeitung , als Redaktor bei der Zürcher Tat und als Landesring-Nationalrat war ihm die Erhaltung eines lebensfähigen Bauernstandes ebenso ein Anliegenwie der Anschluss an neue Entwicklungen. Sowollte er 1934 die Arbeitslosigkeit in der Schweizmit der Errichtung einer bäuerlichen Grossgenossenschaft in Brasilien bekämpfen, während er 1949 mit dem zwei­ bändigen Werk «Wir durchbohren den Gotthard» zeigte, wie das riskante und viele Opfer fordernde Projekt des ers- ten Gotthardtunnels sich am Ende als Segen für das Land erwies. DassMoeschlin, der von 1924 bis 1942 Präsident des Schweizerischen Schriftsteller-Vereins war und 1969 in Basel starb, massgeblich daran beteiligt war, dass im2.Weltkrieg viele der vor Hitler geflohenen Schriftstellerkollegen vonArbeits- verboten belegt oder ausgeschafft wurden, gehört zu den dunklen Seiten dieses Autors. In seinemgeglücktestenWerk, dem«Amerika-Johann», wusste er dagegen die auch für die Schweiz folgenschwere Konfrontation zwi- schen alter und neuer Zeit mit einer begeisternden Hommage an Schweden zu verbinden. CHARLES LINSMAYER «Tag und Nacht bin ich von der Natur umschlossen. Ein halberMonat ist es her, und ich fragemich, ob ich nicht seit Jahren schon in diesemWalde wohne. Bin ich nicht über- haupt schon immer hier gewesen?» Felix Moeschlin, der dies 1908 in der NZZ schrieb, hatte sich in Schweden ver- liebt. Da lebte er von 1908 bis 1914, da lernte er die Malerin Elsa Hamar, die dieMutter seiner drei Kinderwerden sollte, kennen, und da liess der 1882 geborene Basler nach dem im heimatlichen Leimental spielenden Bauernroman «Die Königschmieds» und demKünstlerroman «HermannHitz» seinen dritten Roman, «Der Amerika-Johann», spielen. Ein cleverer Heimkehrer Schauplatz ist das Bauerndorf Äppelvik, hinter dem sich Leksand am Siljansee verbirgt, woMoeschlin eigenhändig ein Haus gebaut hatte. Dahin lässt er seinen Amerika- Johann nach Jahren heimkommen, um den Dorfbewoh- nern mittels eines Sägewerks, eines Kaufladens und neuer Finanzierungsstrategien denAnschluss an die neue Zeit zu ermöglichen. Das geht so lange gut, bis die schnell entfachte Konjunktur zusammenbricht und die Bauern dem Schar- latan ihre Höfe um einen Pappenstiel für das Projekt einer Art schwedischen Ballenbergs verkaufen, wo die alte Tradi­ tion für zahlungskräftige Touristen aus aller Welt zur ge- winnträchtigen Folklore verkommen soll. Erst als ruchbar wird, dass der neue Besitzer die zusammengekauftenHöfe einem dubiosen Millionär verkaufen will, erwachen die Bauern aus ihrer Lethargie, schlagen den kuriosen Prophe- ten kurzerhand tot und ziehen aus dem Mord ihre Konse- quenzen: die Alten imGefängnis, die Jungen, indemsie das korrumpierte Gemeinwesen imSinne des Bewährten, aber auch mit dem Blick auf massvoll Neues wieder aufbauen. Erhaltung des Bauernstandes Wäre Moeschlin nicht ein ausgezeichneter Kenner Schwe- dens und seiner Kultur gewesen, man hätte für Äppelvik auch Zermatt oder Grindelwald setzen können. Und der Verfasser des 1912 in der Schweiz mit Wohlwollen auf­ genommenen «Amerika-Johanns» war eine Top-Besetzung, als er 1915 Kurdirektor vonArosawurde. Aber nicht nur da, Äppelvik zwischen alter und neuer Zeit Der Basler Felix Moeschlin zeigte die Gefahren einer übereilten Modernisierung in seinem Roman «Amerika-Johann» auf – am Beispiel eines schwedischen Dorfes. «Was die Bauern früher be­ sassen, war ererbt, und nicht gewählt und gewollt. Sie waren Bauern, weil ihre Väter Bauern gewesen waren. Deshalb kam ihr ganzes Dasein so leicht ins Wanken. Unser Leben aber ist gewählt, und nicht von der Pflicht und der Gewohnheit wird es regiert, sondern von der Neigung und der Freude und dem frohen Willen.» Aus: Felix Moeschlin: «Der Amerika-Johann». Roman. Ex-Libris-Verlag 1981 (vergriffen). Bibliografie: «Der Amerika-Johann» ist zuletzt 1981 mit einem Nachwort von Egon Wilhelm in der Ex-Libris-Reihe «Frühling der Gegenwart» erschienen und antiquarisch greifbar. CHARLES LINSMAYER IST LITERATURWISSEN- SCHAFTLER UND JOURNALIST IN ZÜRICH

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