Schweizer Revue 1/2018

19 Schweizer Revue / Januar 2018 / Nr.1 Makala ist einer der neuen Stars der Schweizer Hip-Hop-Szene. Sein Rap ist das Produkt eines Genf der Vorstädte. So bedient sich die Sprache der Rapper von Superwak Clique mitun- ter der Klischees des amerikanischen Gangsta-Rap, ohne dass das Gesagte jedoch auf einer extrem brutalen Realität basieren würde. «Auf demCover vonGun Love Fiction, dem2017 erschienenenAlbum von Makala, ist eine Pistole zu sehen, die auf einen Kopf gerichtet ist – ein brutales Bild, aber das ist eine kinematografische Gewalt, die eingesetzt wird, um die Übel und Erfolge unserer Gesellschaft zur Sprache zu bringen», meint der Mitbegründer von Colors Label. Dies sei eine der Stärken des gelassenerenWestschweizer Raps. Aus diesem Grund finde er auch in Frankreich und anderen französischsprachi- gen Ländern Anklang. «Diese Rapper sindwie grosse Fische in einem kleinen Teich», soHadrienMauron, der sich freut, die Künstler dieser Clique von Zeit zu Zeit imMc Donald um die Ecke zu treffen. Die Polit-Rapper Auch die Westschweiz hat den politischen Rap erlebt. Beispielsweise liess uns 1993 die Lausanner Band Sens Unik, die an der Entstehung des französischen Hip-Hop mitwirkte, in «L’île au trésor» / «Schatzinsel» an ihrer Sicht auf das Land teilhaben: «Il existe une île au trésor.» / «Es gibt eine Schatzinsel.» «Un pays fantasmagorique qui n'est autre qu'un coffre fort.» / «Ein gespenstisches Land, das nichts anderes ist als ein Tresor.» «Où sont dissimulées des montagnes de pièces d'or coulées par des âmes sanguinaires dans les moules de la mort.» / «In dem Berge von Goldstücken versteckt sind, von blutrünstigen Seelen in die Form des Todes gegossen.» Und 2003 attackierte der Lausanner Rapper Stress in «Fuck Blocher» die SVP: «Ce pays si prospère a voté pour la peur.» / «Dieses reiche Land hat für die Angst gestimmt.» «Comment un pays aussi multiculturel que la Suisse accepte au Conseil fédéral Blocher, ce raciste?» / «Wie kann ein so multikulturelles Land wie die Schweiz Blocher, diesen Rassisten, in den Bundesrat wählen?» «Le blème, c'est que les jeunes ça les botte pas donc ils ne votent pas.» / «Das Problem ist, dass das die Jugendlichen nicht juckt, so wählen sie nicht.» Produzent. In «Vision nocturne» erzählt sie von sich selbst. «J’arrête quelqu’un dans la rue, une fois sur deux, j’sens sa méfiance.» / «Wenn ich jemanden auf der Strasse anspreche, spüre ich bei jedem Zweiten Miss­ trauen.» «La Suisse ne connait pas son histoire, s’en tape de celle des au­ tres.» / «Die Schweiz kennt ihre Geschichte nicht und pfeift auf die der anderen.» «Vote pour chasser l’immigrant sauf s’il transpire dans un maillot.» / «Stimmt dafür, dass Einwanderer rausgeworfen werden, aus­ ser die im Trikot.» «J’habite en Valley, p’t’être que c’est l’endroit parfait pour en parler.» / «Ich lebe imWallis, das ist vielleicht der ideale Ort, um darüber zu reden.» «Des guerres non déclarées entre villes, villages et mêmes quartiers.» / «Nicht erklärte Kriege zwischen Städten, Dörfern oder sogar Quartieren.» «T’aimes pas ton voisin, dur d’accepter l’étran­ ger.» / «Wenn du deinen Nachbarn nicht magst, ist es schwer, Ausländer zu akzeptieren.» Hoher Ausländeranteil Hat dieser Rap etwas spezifisch Schweizerisches? Thibault Eigenmann meint, er sei das Produkt eines bestimmten Genf, des Genf der Vor- städte. Er betont, dass diese Siedlungen nicht die gleichen Probleme oder die Gewalt einiger französischer Vorstädte kennen, von denen im französischen Rap die Rede ist. Er weist jedoch darauf hin, dass die Familien der Künstler, die er produziert, bisweilen kämpfenmuss- ten, umdamit klarzukommen. Er erinnert daran, dass «die staatliche Schule in der Schweiz von guter Qualität ist», und beschreibt dort ein bestimmtes Milieumit einem sehr hohen Ausländeranteil. «Die Spra- che eines Kindesmit fremdsprachigenEltern ist einwenig anders, und in einemmultikulturellen Quartier ist die Ausdrucksweise eindring- licher. Das könnte daran liegen, dassmanDinge, wennman sich nicht gut ausdrücken kann, mit mehr Nachdruck ausspricht. Und aus die- semGrund glaube ich, dass die Jugendlichen der Cités eher bereit sind, Rap zu singen, als die Jugendlichen in anderen Quartieren.»

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