Schweizer Revue 2/2018
10 Schweizer Revue / März 2018 / Nr.2 Politik JÜRG MÜLLER Was ist Geld? Natürlich Münzen und Banknoten. Aber es gibt noch andere Formen, etwa Buchgeld, das haupt- sächlich durch Kreditgewährung der Banken entsteht. Oder ein Bankkonto. Aber das Guthaben auf dem Konto ist kein echtes Geld, es ist bloss eine For- derung des Kunden an die Bank, ihm bei Bedarf Bargeld auszuzahlen. Auch Zeit ist Geld, wie wir seit Benjamin Franklins Buch «Ratschläge für junge Kaufleute» von 1748 wissen. Geld ist also fast so schwierig zu definieren wie die Zeit. Und im Moment gibt es aktuelle Gründe, sichmit demWesen des Geldes zu befassen. Am 10. Juni müssen die Schweizer Stimmberech- tigten über die Vollgeld-Initiative be- finden, diemit offiziellemTitel lautet: «Für krisensicheres Geld: Geldschöp- fung allein durch die Nationalbank!» Damit ist schon einiges gesagt. Aber was genau ist Vollgeld? Beispiel: Eine Geschäftsbank ge- währt jemandem einen Kredit von 10000 Franken und schreibt den Be- trag auf dem Kontokorrent des Kun- den gut. Damit hat die Bank sozusa- gen «aus demNichts» Geld geschaffen, Buchgeld allerdings. Dieses Buchgeld besteht heute vor allemdigital undhat einen viel grösseren Umfang als das Bargeld. Münzen und Banknoten als gesetzliche Zahlungsmittel machen nur rund zehn Prozent der umlaufen- den Geldmenge aus, 90 Prozent ist elektronisches Geld, «das die Banken per Knopfdruck selber schaffen», wie die Initianten auf ihrer Homepage schreiben. Die Initiative verlangt nun, dass künftig nur noch die National- bank digitales Geld schaffen kann, dass sie also das Monopol auch auf Buchgeld hat. Auf Bargeld hat sie es schon. Geschäfts- banken dürfen bekanntlich keine Münzen prägen oder Noten drucken. Sie dürften zwar nach Annahme der Initiative weiterhin ihren Geschäften nachgehen und Kredite vergeben, dochmüsste das alles voll durchEigen kapital und Spareinlagen oder aber durch Darlehen der Nationalbank ge- deckt sein. Ein krisenfesteres Finanzsystem? NachAuffassung der Initiantenwürde die Einführung des Vollgeldes das ge- samte Finanzsystem krisenresisten- ter und fairer machen: «Das Vollgeld auf Zahlungskonten ist so sicher wie Bargeld, denn es ist echtes Geld der Nationalbank. Bankenpleiten können ihm nichts anhaben. Die Spielregeln für Banken und Unternehmen sowie Gross- und Kleinbanken werden für alle wieder dieselben», wie es auf der Homepage der Initianten heisst. Und vor allem gehört das Geld «dann den Kontobesitzern und geht nicht verlo- ren, falls eine Bank in Schieflage gerät». Die Initianten versprechen noch mehr, nämlich einen Geldsegen: Eine erfreuliche Folge der Vollgeld-Initia- tive sei, dass dieNationalbank pro Jahr zusätzlich fünf bis zehn Milliarden Schweizer Franken an Bund und Kan- tone auszahlen könne. Und zwar aus dem Erlös der Geldschöpfung. Ausser bei der Münzherstellung wurden diese Erlösmöglichkeiten bisher nicht genutzt, aus systemischen Gründen auch nicht von den Geschäftsbanken. Mit der Vollgeldreform wird dieses bisher nicht genutzte Potenzial reali- sierbar, finden die Initianten. Und das Risiko von Finanzkrisen schwindet, denn die heutige Geldherstellung durch Kreditvergabe zwingt zum Schuldenmachen: Ohne neue Schul- den entsteht heute kein neues Geld. Eine hoch verschuldete Gesellschaft ist anfällig für Finanzkrisen. Hinter der Initiative steht keine Partei und keine bekannte Organisa- tion, sondern der Verein «Monetäre Modernisierung»mit einemVorstand aus weitgehend unbekannten Persön- lichkeiten. Bemerkenswert ist, dass das Volksbegehren von zahlreichen, teils bekannten Ökonomen verschie- dener Hochschulen, auch von der als Wirtschafskaderschmiede bekannten Universität St. Gallen, unterstützt wird. Politiker von links bis rechts winken ab Auf schroffe Ablehnung stösst die Ini- tiative dagegen in der Politik: Im Par- lament lehnen ausnahmslos alle Frak- tionen das Volksbegehren ab, auch wenn das Grundanliegen bei der SP und denGrünen gewisse Sympathien geniesst. Eine links-grüneMinderheit präsentierte denn auch einen Gegen- vorschlag, allerdings erfolglos. Dieser nahm das Motiv der Finanzstabilität auf und wollte in der Bundesverfas- sung festschreiben, «dass unsere gros sen Banken künftig genügend Eigen- mittel haben, um sich selber aus dem Schlamassel zu ziehen, wenn sie sich verspekuliert haben», wie SP-Natio- nalrat Beat Jans sagte. Doch auch die SP lehnte die Initiative mit dem von fast allen Rednerinnen und Rednern vorgebrachtenArgument ab: Die Sache ist zu risikoreich, weil nirgends er- probt. SP-Nationalrätin und Wirt- schaftsexpertin Susanne Leutenegger Oberholzer sagte: «Es gab noch nie Vollgeld – ein anspruchsvolles Volksbegehren Nicht nur die Schweizerische Nationalbank gibt Geld heraus. Auch die Geschäftsbanken sind an der Geldschöpfung beteiligt. Eine Volksinitiative, über die am 10. Juni abgestimmt wird, will das verbieten.
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