Schweizer Revue 2/2018

11 Schweizer Revue / März 2018 / Nr.2 eine Volkswirtschaft auf derWelt, die ein Vollgeldsystem nach den Vorstel- lungen dieser Initiative realisiert hat. Wir haben also keinerlei konkrete Er- fahrungen.» Die grün-liberale Nationalrätin Kathrin Bertschy griff in der Debatte ein zentrales Argument der Initianten frontal an: Eine einzelne Bank könne nicht einfach «Geld aus dem Nichts schöpfen». Die Kreditschöpfung «un- terliegt Restriktionen, regulatorischen Vorschriften, Liquiditätsanforderun- gen und Mindestreservevorschriften. Es gibt Grenzen. Die Nationalbank kann Einfluss nehmen.» Nach Auffas- sung des SVP-Nationalrats und Banki- ers Thomas Matter will die Vollgeld­ Initiative «ein Problem lösen, das gar keines ist». Man könne «ebenso gut einenHauskeller unterWasser setzen, um zu prüfen, ob die neu erstandene Wasserpumpe so gut funktioniert wie die bisherige». Die Initianten wollen lautMatter «das völlig intakte,weltweit anerkannte schweizerische Finanz­ gebäude einreissen, um nach ihren Rezepten auf den Ruinen etwas ra­ dikal Neues zu konstruieren». Das schaffe Unsicherheit und sei Gift für die Volkswirtschaft. Graben zwischen Verfassung und Realität schliessen FDP-Nationalrätin Daniela Schnee- berger betont, dass die Stabilität des Bankensystems, welche die Initiative erhöhen will, bereits mit den Too-big­ to-fail-Regulierungen von 2011 ver- stärkt worden sei. Und ihr Parteikol- lege BeatWalti warnt vor der Initiative, weil mit ihr «faktisch die Geldschöp- fung verstaatlicht würde». Dieses ver- meintlich schlagende Argument leuchtet Peter Ulrich ganz und gar nicht ein. Ulrich ist früherer Professor für Wirtschaftsethik an der Universi- tät St. Gallen und wissenschaftlicher Beirat der Vollgeld-Initiative. Er schreibt in der NZZ , die Initiative schliesse «im Kern genau den Graben zwischen der verfassungsmässig in- tendierten Geldhoheit des Bundes und der heute völlig anderen, deutlich riskanterenRealität des Geldsystems». Denn 1891 wurde in einer Volksab- stimmung das Geldschöpfungsmono- pol des Bundes «mit Bezug auf die da- mals den Zahlungsverkehr dominie- renden Münzen und Banknoten angenommen und 1951 wiederumper Volksabstimmung bestätigt». Dem heute dominierenden Bankengiral- geldwie auch demvirtuellenGeld auf Debit- undKreditkarten fehle dagegen der Status des gesetzlichen Zahlungs- mittels. Nationalrätin Kathrin Bert- schy schlägt vor, «mit einer gewissen Demut an diese Fragen heranzuge- hen», denn es gehe um grundlegende Fragen zur Geldordnung, verbunden mit viel Unsicherheiten und Hypothe- sen, und es sei keine exakte Wissen- schaft. Und – so könnteman hinzufügen – es ist eine intellektuell anspruchsvolle Vorlage, die für einmal nicht an Vor- urteile und Ressentiments appelliert, sondern ans Denkvermögen. www.vollgeld-initiative.ch Umstrittenes Geldspielgesetz Am 10. Juni 2018 wird auch über das neue Geldspielgesetz abgestimmt. Bundesrat und Parlament wollen das bisherige Spielbanken- gesetz und das Lotteriegesetz in diesem neuen Gesetz zusammenfassen. Zu grossen Teilen werden geltende Regelungen übernommen, gleichzeitig aber auch Neuerungen eingeführt. So dürfen neu Spielbankenspiele auch online angeboten werden; doch der Zugang zu aus­ ländischen Online-Geldspielangeboten soll von der Schweiz aus gesperrt werden. Gerecht- fertigt wird die Sperre damit, dass Schweizer Anbieter sich an Auflagen halten müssen, etwa zur Bekämpfung der Spielsucht. Die Jungpar- teien von FDP, SVP und Grünliberalen haben wegen dieser Sperre das Referendum gegen das Gesetz beschlossen, die Jungen Grünen mit einem eigenen Komitee ebenfalls. Es geht ihnen um Grundsätzliches, nämlich darum, «ob wir den freien Zugang zum Internet zum Schutze einheimischer Anbieter aufs Spiel set- zen wollen», wie es auf der Homepage der Jungfreisinnigen heisst. Das Gesetz erinnere an «Zustände in Nordkorea oder China». (JM) Aktivisten des Komi- tees «Vollgeld-Initia- tive» demonstrieren mit einer Marionet- ten-Helvetia und einer Maske von SNB Praesident Thomas Jordan vor der 109. SNB Generalversammlung am 27. April 2017 in Bern Foto Keystone

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