Schweizer Revue 2/2018

9 Schweizer Revue / März 2018 / Nr.2 Wie urteilt Rebetez, der erfolgreiche Pionier der Anfänge, über die vielen Pioniere der Gegenwart? Er sehe eine sich sehr schnell bewegende Szene mit vielen Trägern der neuen Bierkultur: «Aber nur wenige verstehen sich auch als Unternehmer.» Er, der vor Jahren selber gegen «die grosse Langeweile» in der Branche angetreten war, übt milde Kritik: «Manches ist mir zu experimentell.» Wenn ein Bier ein Bier bleiben soll, «dann muss man schon eine ganze Flasche alleine trinken können». Er bleibt Rebell und rebelliert gegen den Innovationszwang: «Viermeiner aller- ersten Biere sind immer noch unsere gefragtesten. Das macht mich stolz.» Eine tolle Zukunft räumt er jenen ein, die zu einer eige- nen Handschrift fänden. Wer nicht «debil» sei, wolle näm- lich eine echte Wahl. Das erfordere echte Produkte aus echten Unternehmen mit echter Geschichte. Die BFM- Leute sind zusätzlich echte Geschichtenerzähler. So ist der auf der Etikette des zelebrierten Edelbiers verewigte «Saint Bon-Chien» – der gute, heiligeHund – überhaupt keinHund. Rebetez’ verstorbene Brauereikatze hiess so. Auch das Starkbier «Alex le Rouge» ist ein biergewordener Nekrolog – auf den kommunistischen BFM-Brauereimechaniker, der auch nach der Pensionierung bis an sein Ende im Betrieb weiterwerkelte undweitertrank. Die Sprachlust treibt den Jurassier zuweilen an, den Deutschschweizern eins auszu- wischen. Nach dem Entscheid, in der Vorweihnachtszeit den Deutschschweizern ein BFM-Bier anzuempfehlen, etikettierte Rebetez die Flaschenmit den Lettern «Die Bier vomWeihnachten». Bilanz: Vier Wörter nur, zwei schrei- ende Fehler und ein grinsender Brauer in Saignelégier. Auch sein «Highway To Helles» ist eine Neckerei der Deutsch- schweiz. Dass dort Biertrinker oft «ein Helles» ordern, Bier also nach dessen Farbe bestellen, wundert ihn. Wenn je- mand ein neues Auto kauft, sage er ja auch nicht «bitte ein Graues». Wer ihm den Spott nicht verzeiht, muss sich halt an die anderen 900 Brauereien des Landes halten. Mit wilder Hefe Zurück zumkleinen Berg vor den Toren Berns, dem Gurten. Das historische «Bier von hier» gibtswie gesagt schon lange nichtmehr. Dochneulich ging die 523-Crewden über lange Jahre gehegten Plan an, ein Bier nach originalen Rezeptu- ren aus den 1900-Jahren zu brauen – und zwar mit lokaler Hefe, denn es sollte «Terroir verkörpern». Sie legten auf dem Gurten ein Dutzend Gefässe mit Bierwürze aus, umwilde Hefe einzufangen. Der Fang glückte. In drei der zwölf Ge- fässe fand sich Vielversprechendes und der Entscheid fiel, eine derwildenHefenweiterzuziehen. Wochen der Recher- che nach den alten lokalen Rezepturen folgten, neue Er- kenntnisse über die früher üblichen Zutaten sind da. Was darauswerdenwird, lässt 523 noch offen. Zumindest liefert in diesemFall der Schweizer Bierboomaber eine ganz neue Lesart von «oral history». Der Rockstar der Schweizer Kleinbrauer: Jérôme Rebetez aus Saignelégier mit seinem BFM-Bier. Foto Keystone

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