Schweizer Revue 3/2018
10 Schweizer Revue / Mai 2018 / Nr.3 Politik Gilles Marchand, Generaldirektor der SRG, tritt nach dem Nein zu «No Billag» am 4. März in Bern vor die Presse. Foto Keystone JÜRG MÜLLER Die Schweiz hat in den letzten Jahren nicht wenige höchst emotionale Ur- nengänge erlebt. Doch einen derart langen, heftigen und denkwürdigen Abstimmungskampf hat das Land wohl noch kaum je gesehen. Es ging bei der No-Billag-Initiative in der Tat um viel, nämlich um Sein oder Nicht sein der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) und von 34 privaten lokal-regionalen Sendern. Die Initianten, eine Gruppe markt radikaler Libertärer, forderten die Abschaffung der Radio- und Fernseh- gebühren, was das Ende des öffent- lich-rechtlichenRundfunks bedeutet hätte. Der Abstimmungskampf wurde derart emotional geführt, dass es zu massiven Übertreibungen kam: Wäh- rend die Gegner des Volksbegehrens das Gespenst des Auseinanderfallens der viersprachigen Schweiz und das Ende der Demokratie an die Wand malten, verunglimpften die Befür- worter die SRG-Sender als staatliche Propagandainstrumente. Breite Front für die SRG Zu Beginn des Abstimmungskampfs im Spätherbst 2017 sah es für die Ini- tianten nicht schlecht aus. Erste Um- fragenzeigten, dass es gelingenkönnte, mit der SRG eine der traditionsreichs- ten öffentlichen Institutionen der Schweiz zu schleifen. Dies, obschon Bundesrat, Parlament und alle Par- teien ausser der SVP das Ansinnen ab- lehnten. Doch dann entdeckten die unterschiedlichstengesellschaftlichen Gruppen, was sie verlieren könnten: Vereine, Verbände, Komitees in allen Landesteilen und aus unterschied- lichsten Milieus formierten sich, Bür- gerinnen und Bürger, Freunde der Ländlermusik, Schriftsteller, Sportler, Künstler, Musiker, Prominente und Multiplikatoren aller Sparten kämpf- ten mit grossem Engagement für das Schweizer Radio und Fernsehen. Am Ende kippte der Trend nicht nur, die Initiativewurdemit unerwar- tet deutlichen 71,6 Prozent Neinstim- men und von allen Ständen verworfen. Die Abstimmungssieger bezeichneten das Resultat als starkes Bekenntnis zumöffentlich-rechtlichenRundfunk, zu seiner Klammerfunktion in der viersprachigenSchweiz und als Votum gegen die Entsolidarisierung des Landes. Die unterlegenen Initianten schrieben sich auf die Fahne, dass sie endlich eine längst überfällige medi- enpolitische Debatte lanciert hätten. Ein 100-Millionen-Sparpaket Tatsächlich wurde mit der Initiative massiv Druck aufgebaut. Gilles Mar- chand, Generaldirektor der SRG, re- agierte noch am Abend des Abstim- mungssonntags: Er kündigte ein 100-Millionen-Sparpaket an und den Verzicht auf Unterbrecherwerbung in Spielfilmen. Zudem wolle die SRG keine Online-Texte ohne Bezug zu ausgestrahlten Sendungen mehr ver- öffentlichen, also ihr bereits bestehen- des zeitungsähnliches Angebot aufge- ben. Damit kommt sie Forderungen der privaten Verleger nach. Erstaunlich ist die saloppe Kühn- heit der Verlierer, die kurz nach der Abstimmung einen massiven Abbau forderten – dies trotz dem überaus deutlichen Bekenntnis des Volkes zur Institution SRG. Am weitesten ging die SVP: Sie forderte eine Befreiung der Unternehmen von den Gebühren und eine Senkung der Gebühren für Haushalte von 365 Franken ab 2019 – 2018 sind es noch 451 Franken – auf 300 Franken jährlich. Sollte das im Parlament nicht mehrheitsfähig sein, hat die SVP bereits eine Volksinitiative Erbitterter Kampf umRadio und Fernsehen Das Stimmvolk hat am 4. März eine massive Attacke auf das Schweizer Radio und Fernsehen mit grossem Mehr abgewehrt. Doch die Sparforderungen an die SRG bleiben bestehen.
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