Schweizer Revue 3/2018
17 Schweizer Revue / Mai 2018 / Nr.3 Literaturserie terwerks, des Parzival-Romans «Der Rote Ritter», für den er die höchste deutsche Literaturauszeichnung, den Büch- ner-Preis, erhielt, bekannt, dass es den Roman ohne die drei Zen-Meister Suzuki Taisetzu, Hisamatsu Shin-ichi und Harrada Sekkei nicht gäbe. Muschg hat aber auch Brücken von Japan nach Europa geschlagen, indem er die japanische Mystik mit derjenigen von Angelus Silesius, Meister Eckart und Jakob Böhme in Beziehung setzte. Eine theologisch-literarische Erkundung, mit der er die Arbeit seines 1965 verstorbenenHalbbrudersWalterMuschg fort- setzte, der bereits 1935 «Die Mystik in der Schweiz» er- forscht hatte. – «Im Sommer des Hasen» hätte übrigens zuerst imWalter-Verlag, Olten er- scheinen sollen. Aber es war aus- gerechnet die Yoko-Episode, die den katholischenVerlagsinhabern zu unanständig vorkam, so dass das Buch schliesslich im Arche-Verlag von Peter Schifferli erschien, der von seiner Sinnlichkeit ent- zückt war. CHARLES LINSMAYER Es ist «die Entdeckung eines Kontinents», die der puri tanische Schweizer mit Yoko, der japanischen Theologie- studentin, macht, und er findet in wilden Nächten und leidenschaftlichen Umarmungen etwas, was er nicht kannte: «die Einheit, in der Tiefe einsehbar, wenn seine Haut umden fremden Körper zusammenwuchs». Wilfried Buser heisst der Schweizer Autor, der wie fünf andere für die Jubiläumsschrift eines Schweizer Konzerns einen Bei- trag über Japan schreiben soll und dabei in einer ihmnoch fremden Welt die körperliche Liebe in ihrer ganzen Köst- lichkeit und Exzessivität kennenlernt. Die Geschichte entstammt einem Roman, der auch selbst auf einen Japanaufenthalt zurückgeht. 1962 bis 64 war der Schweizer Autor Adolf Muschg, geboren 1934, Lektor für Deutsch an der International Christian Univer- sity von Tokio, und aus diesem Aufenthalt und der da er- lebten Liebesgeschichte heraus entstand der Roman «Im Sommer des Hasen», mit dem er 1965 ein literarisches Œuvre eröffnete, das über Romane wie «Gegenzauber», «Albissers Grund», «Das Licht und der Schlüssel», «Der Rote Ritter», «Eikan, du bist spät» und «Löwenstern» bis zur Erzählung «Der weisse Freitag» von 2017 reicht und längst zu den bedeutendsten der deutschsprachigen Literatur zählt. Japan aber, das «Hansi und Ume», das Japanbuch seiner Tante Elsa Muschg, schon für den Zehnjährigen zu einem «Heimwehland» hatte werden lassen, liess ihn nie wieder los und erfüllte ihmschliesslich den Traum, den er von Anfang an gehabt hatte: dass er da «zu sich selber kom- men» würde. Zerutt, der Gegenspieler von Albisser imnach diesem benannten Roman, ist ein Zen-Meister, und 1985 verbrachteMuschg vierWochen in einemZen-Kloster bei Kyoto. Als 1986 «Im Sommer des Hasen» verfilmt wurde, verliebte er sich bei denDreharbeiten in Atsuko Kanto, die 1991 seine dritte Frau wurde und ihn auch familiär mit Japan in Beziehung brachte. Ein Land und eine geistig-mystische Erfahrung, die seither seinWerk auf vielfältige Weise durchdrungen hat. Nicht nur in Büchern, die in Japan spielen, wie demRoman «Eikan, du bist spät», wo ein Europäer in der Begegnung mit dem japanischen Zen- Mönch Eikan seine Befreiung und Erleuchtung erfährt, auch in solchen, wo das nicht direkt auf der Hand liegt. So gab er nach dem Erscheinen seines erzählerischen Meis- Sehnsucht nach demHeimwehland Japan Als Lektor an einer japanischen Universität schrieb Adolf Muschg seinen Romanerstling «Im Sommer des Hasen» und kam von Japan und seiner Kultur nie mehr los. «Ich habe im Kloster erlebt, dass Leben mit sich eins sein kann, und mit seinem scheinbaren Gegenteil, dem Tod. Und dass es, wenn alles gleich gültig ist, nichts Gleichgültiges mehr gibt. Das ist etwas mehr, als ich bisher in der Politik oder in der Literatur, im Gespräch oder in der Liebe gelernt habe. Ist dazu ein Leben im Zen-Kloster nötig? Bei mir war es nötig: als Erfahrung, dass das Selbstver- ständliche schwer ist, aber mög- lich.» («Aussteigen? Einstei- gen!», in «Frankfurter Rundschau», 24.8.1985.) BIBLIOGRAFIE: «Im Sommer des Hasen» ist als Suhrkamp-Taschenbuch greifbar. CHARLES LINSMAYER IST LITERATURWISSENSCHAFT- LER UND JOURNALIST IN ZÜRICH
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