Schweizer Revue 4/2018

10 Schweizer Revue / Juli 2018 / Nr.4 Politik Zwei Volksabstimmungen im Zeichen des Geldes Einmal Vollgeld, einmal Geldspiele – einmal Nein, einmal Ja: Das Stimmvolk will nicht, dass allein die Nationalbank Geld schöpfen darf. Das neue Geldspielgesetz dagegen wurde angenommen. JÜRG MÜLLER Die Debatten landauf, landab und in denMedienwarendurchaus spannend und anregend, aber auch anspruchs­ voll. Manch einer lernte besser zu ver­ stehen, wie unser Geldsystemfunktio­ niert. Dochdiefinanzwirtschaftlichen und geldpolitischen Überlegungen vermochten die Mehrheit dann doch nicht von einem Wechsel zum Voll­ geldsystem zu überzeugen. Mit 75,7 Prozent Neinstimmen und von allen Ständenwurde die Vollgeld-Initiative am 10. Juni abgelehnt. Die Initianten wollten, dass die Nationalbank nicht nur Banknoten und Münzen – der kleinste Teil des Geldes – herausgeben kann, sondern sämtliche Geldmittel. Heute wird das elektronische Geld und das Buchgeld von den Geschäfts­ banken per Kreditvergabe geschöpft. Dies wollten die Initianten ihnen künftig verwehren. Sie versprachen sich vomVollgeld ein sichereres Finanzsystem. Das Voll­ geld wäre dem Kreditkreislauf entzo­ gen worden. Die Banken hätten die Kundengelder nicht mehr in ihrer Bilanz gehabt, sondern bloss noch ver­ walten dürfen, es wäre also «richtiges Geld» gewesen und im Falle einer Bankenkrise nicht in die Konkurs­ masse gefallen. Kredite hätten nur noch mit speziell von Sparern, ande­ ren Banken und der Nationalbank zur Verfügung gestelltem Geld vergeben werden können. Die Gegner wiesen darauf hin, dass dies ein weltweit einzigartiges, für den Finanzplatz gefährliches Ex­ periment mit unberechenbaren Aus­ wirkungen wäre. Die Geldschöpfung der Banken sei bereits heute begrenzt durch verstärkte Regulierung, Eigen­ kapitalvorschriften und Mindest­ reserven, zudem seien Kundengelder bis 100000 Franken geschützt. Bun­ desrat, Parlament, Industrie, Banken und alle grossen Parteien lehnten das Volksbegehren ab. Die Initianten, einigeÖkonomen undAktivisten, ver­ fügten über keine prominenten Aus­ hängeschilder und waren politisch kaum fassbar. Gewisse Sympathien für das Anliegen zeigten einige Vertre­ terinnen und Vertreter der Linken. Doch selbst SP-Nationalrätin und Wirtschaftspolitikerin Susanne Leu­ tenegger Oberholzer begrüsste das Nein, die Vollgeld-Initiative sei die falsche Antwort gewesen auf ein rich­ tiges Anliegen: Das Finanzsystem müsse noch sicherer gemacht werden. Sperre für ausländische Online-Casinos Eine bemerkenswerte Dynamik hat die Debatte über das neue Geldspiel­ gesetz entwickelt. Zentraler Punkt des Gesetzes ist die Legalisierung von Online-Casinospielen – Konzessionen erhalten jedoch nur schweizerische Anbieter, ausländische werden ausge­ sperrt. Jungparteien von links bis rechts hatten das Referendum gegen die Vorlage ergriffen – und eine inten­ sive Grundsatzdebatte über Netzsper­ ren im Internet lanciert. Unterstützt wurden die Jungparteien von der FDP, den Grünen, Grünliberalen und der BDP, die ebenfalls die Neinparole be­ schlossen hatten. Die Gegner des Gesetzes argumen­ tierten damit, dass dies einer Internet­ Zensur gleichkomme. Siewarnten vor der Gefahr weiterer Netzsperren in anderen Bereichen. Damit verbaue sich die Schweiz den Weg in die digi­ tale Zukunft. Die Befürworter versi­ cherten, dass es sich hier um einen Spezialfall handle, ohne Präjudiz für weitere Einschränkungen imInternet. Es gehe darum, dass AHV, Kultur- und Sportvereine weiterhin von Casino­ Geldspielen profitieren könnten. Bei einer Öffnung des Netzes auch für nichtschweizerische Anbieter im In­ ternet wäre das Geld zu einemTeil ins Ausland geflossen. Diese Argumenta­ tion war für die Mehrheit der Stimm­ bürgerinnen und Stimmbürger offen­ sichtlich entscheidend. Vielen ist auch in den falschen Hals geraten, dass das Referendum mit rund einer halben Million Franken von ausländischen Geldspielbetreibern unterstützt wor­ den ist. Abstimmungsresultate vom 10. Juni 2018 24,0 % Ja 72,9 % Ja 75,7 % Nein 27,1 % Nein Vollgeldinitiative Geldspielgesetz

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