Schweizer Revue 4/2018
13 Schweizer Revue / Juli 2018 / Nr.4 JÜRG MÜLLER «Unglaublich»: So kommentierte UrsulaWyss imApril 2018 die Zunahme des Fahrradverkehrs in der Bundesstadt. Die in der Berner Stadtregierung für den Verkehr zuständige Gemeinderätin war offenbar selbst überrascht über den Veloboom: Im kurzen Zeitraum von 2014 bis 2017 hat der Veloverkehr um 35 Prozent zugenommen. Nun will die Stadt erst recht in die Pedale treten und den Anteil der Fahrräder amGesamtverkehr bis ins Jahr 2030 von derzeit 15 auf 20 Prozent heben. legte er einen leicht abgeschwächten Gegenentwurf vor: Der Bund soll die gleichen Aufgaben wahrnehmen wie bei den Fuss- und Wanderwegen, sich also auf eine einfache Grundsatzgesetzgebung beschränken. Planung, Bau und Unterhalt vonVelowegen seien ohnehin Sache der Kantone und Gemeinden, und der Bund könne wegen enger finan- zieller und personeller Grenzen keine neuen Aufgaben übernehmen, argumentierte die Landesregierung. Der Ge- genentwurf sieht deshalb keine Pflicht zur Förderung vor. Aber der Bund kann Prinzipien für Velowegnetze festlegen. Und er kannMassnahmen der Kantone für Bau und Unter- halt solcher Netze unterstützen und koordinieren. Im Parlament wurde ein parteiübergreifendes Loblied auf denVeloverkehr angestimmt. ImStänderat gab es über- haupt keine kritischen Wortmeldungen. Im Nationalrat lehnte einzig die SVP den bundesrätlichenGegenvorschlag ab. Fraktionssprecher Thomas Hurter erklärte, es brauche keine zusätzlichen Massnahmen, «die Schweiz ist bereits einVeloland». Ebennicht, befandNationalrat Bastien Girod von den Grünen; die fehlende Infrastruktur verhindere, dass die Schweiz ein Veloland werde, denn «ein gelb mar- kierter Streifen reicht nicht aus». Und SP-Nationalrätin Evi Allemann sagte, gegenüber demAusland bestehe Nach- holbedarf. Von diversen Rednern wurden die Vorteile des Veloverkehrs unterstrichen. Er könnemithelfen, Verkehrs- spitzen zu brechen, den Energieverbrauch zu senken und sei zudem gesund. Ziel erreicht, Initiative zurückgezogen Nach der Zustimmung des Parlaments zumGegenentwurf revanchierten sich die Initianten der Velo-Initiative mit dem Rückzug des Volksbegehrens. Ziel erreicht, hiess es. «Der Bundesbeschluss Velo nimmt das Kernanliegen der Initiative auf, nämlich die Gleichstellung der Velowegemit den Fuss- undWanderwegen», erklärte SP-NationalratMat- thias Aebischer, Präsident des Trägervereins Velo-Initia- tive. Nunwird das Pro-Komitee von zahlreichen Organisa- tionen aus den Bereichen Tourismus, Gesundheit, Sport, Verkehr, Wirtschaft und Umwelt getragen. Selbst der auto freundliche Touring-Club der Schweiz (TCS) unterstützt die Vorlage. TCS-Vizepräsident und FDP-Nationalrat Thierry Burkart findet: «Die Trennung von Verkehrsströ- men ist im Interesse aller Strassenbenützer, auch der Auto- fahrer. Denn dadurch werden Kapazitäten geschaffen.» Der Weg des Velos in die Bundesverfassung Fuss- und Wanderwege haben schon seit langem Verfassungsrang. Wenn das Volk am 23. September 2018 Ja sagt, kommen auch die Velowege zu dieser Ehre. Gut im Schuss: Der Veloverkehr soll aufgewertet werden und Verfassungsrang erhalten. Bild Keystone Die Stadt Bern ist kein Einzelfall. Der Veloverkehr tendiert landesweit nach oben (siehe auch «Schweizer Revue» Nr. 3/2018). Nun findet das Velo auch den Weg in die Bundes- verfassung – sofern die Schweizer Stimmberechtigten am 23. September 2018 ein Ja zum Bundesbeschluss über die Velowege in die Urne legen. Damit soll der Artikel 88 über die Fuss- undWanderwege ergänzt werden, der seit 40 Jah- ren in der Verfassung steht. Er hat zu einem einzigartigen Fuss- undWanderwegnetz geführt. Jetzt soll aucheindurch gehendes Wegnetz für Velos in der Schweiz entstehen. Parteiübergreifendes Loblied Die Idee geht zurück auf die Velo-Initiative des Dachver- bandes für die Interessen der Velofahrenden (Pro Velo). Die Stossrichtung leuchtete auch dem Bundesrat ein. Deshalb
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