Schweizer Revue 4/2018

16 Schweizer Revue / Juli 2018 / Nr.4 Wirtschaft YVONNE DEBRUNNER Das Postauto fährt über Bergpässe, in die hintersten Täler und abgelegens- ten Dörfer. Es fährt da hin, wo Bäcker, Metzger, Dorfladen und, ja, auch die Post schon längst ihre Tore geschlos- senhaben. EinBus, wenn auchnur alle paar Stunden, gehört in der Schweiz zur Grundversorgung. Das gelbe Post- auto ist Sinnbild des Service public. Es verbindet Dorf und Stadt, es hält ge- wissermassen das Land zusammen. Doch der gelbe Lack hat Kratzer bekommen. Die Chauffeure in den hellgelben Hemden müssen den Pas- sagieren nicht mehr nur erklären, wo sie aus- oder umsteigen müssen. Sie müssen ihnen erklären, weshalb ihr Arbeitgeber während Jahren Sub- ventionen erschlichen hat. Durch Bu- chungstricks hat die Postauto AG sys- tematisch Gelder verschoben, sodass die subventionierten Buslinien unren- tabler erschienen, als sie es in Wirk- lichkeit waren. Die Folge: Bund undKantone zahl- ten fast zehn Jahre lang, von 2007 bis 2015, überhöhte Subventionen. 92Mil- lionen Franken lieferten sie zu viel ab, wie das Bundesamt für Verkehr be- rechnet hat. Einen Teil davon, 13,7Mil- lionen, hat das Bundesamt bereits bei einer früheren Korrektur zurückge- fordert. Auch das restliche Geld will Postauto zurückzahlen. Doch der Betrag könnte noch an- wachsen. Laut dem Bundesamt für Verkehr bezog Postauto auch in den Jahrennach 2015, imGrunde bis heute, überhöhte Subventionen. Geändert hat lediglich das Vor­ gehen. 2016 gab sich die Post eine Holdingstruktur. Deren Einheiten würden sich gegenseitig Leistungen zu überhöhten Preisen verrechnen, kritisiert das Bundesamt. Ging es lediglich darum, die Subventionen mit einem subtileren Trick zu er- schleichen? Das sollen die laufenden Untersu- chungen zeigen. Diesen Satz wieder- holt die Post derzeit beinahe täglich. Die laufendenUntersuchungen sollen zeigen, ob die im Juni zurückgetretene Post-Chefin Susanne Ruoff und ihre Vorgänger untätig zusahen, während Millionen an Subventionen erschli- chen wurden. Ob der entlassene Post- auto-Chef ein Bauernopfer war. Und schliesslich: Weshalb all dies über- haupt geschah. Denn dasMotiv ist bei diesem Fall das grösste Rätsel. Post- auto betrog letztlich den eigenen Be- sitzer. Die erschlichenen Gelder blie- ben im Unternehmen. Wozu also das alles? Denkbar ist, dass die besseren Ergebnisse einigen Postauto-Kader- leuten etwas höhere Boni bescherten. Doch der eigentliche Grund dürfte in der bizarrenDoppelrolle des Unter- nehmens liegen. Postauto fährt von Dorf zuDorf und erhält dafür Subven- tionen. Doch Postauto fährt auch mit Reisegruppen ins Burgund oder Pie- mont, unterhält Busnetze in Frank- reich oder investiert in das Velo- leihsystemPublibike. Dafür erhält das Unternehmen keine Subventionen. Das Ziel ist nicht die Erschliessung vonDörfern, das Ziel sind da Gewinne. Der entlassene Postauto-Chef sprachdenn auch von «Zielkonflikten». Soll man so billig wie möglich von ei- nem Dorf zum anderen fahren, um dem Steuerzahler nicht unnötig auf der Tasche zu sitzen? Oder soll man dort, wo es keinemrichtigwehtut, bei den öffentlichen Geldern, zulangen, um expandieren und investieren zu können, umdie internenGewinnziele zu erreichen? Eigentlich ist die Ant- wort klar. Bevor Gewinne maximiert werden, müssen Subventionsbezüge minimiert werden. Doch die Existenz zwischen staatlichem Leistungsauf- trag undMarktorientierung, die orga- nisatorische Nähe dieser komplett ge- gensätzlichen Einheiten, dürfte diesbezüglich zu Verwirrung geführt haben. YVONNE DEBRUNNER IST WIRTSCHAFTS­ REDAKTORIN DER TAMEDIA-REDAKTION Kratzer im gelben Lack Die Postauto AG war ein Vorzeigeunternehmen. Doch dann flog ein Subventionsskandal auf, wie ihn die Schweiz zuvor noch nie gesehen hatte. Noch ist die Sache nicht ausgestanden. Wie konnte es so weit kommen? Der Skandal ist ein Knick in der glänzen- den Geschichte des Postautos und Post- Chefin Susanne Ruoff zog im Juni die Konsequenzen und quittierte ihren Job. Bilder Keystone

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