Schweizer Revue 4/2018

20 Schweizer Revue / Juli 2018 / Nr.4 Sport THEODORA PETER Am Sonntag ist Matchtag. Auf den weitläufigen Rasenplät- zen des Zürcher Hardhofs spielen «AC Tabula Rasant» ge- gen «FCWiderstandWipkingen», «Real Azul» gegen «Zwie- tracht Turicum», «FC Tormotor 07» gegen «Olympique Lettenwiese». Drei Partienwerden gleichzeitig angepfiffen, damit zwischen zehn Uhr morgens und sechs Uhr abends möglichst alle 46Mannschaften der Zürcher Alternativliga – davon acht Frauenteams – am gleichen Spieltag antreten können. An Spieltagen herrscht auf demHardhof ein Kom- men und Gehen – und ein Bleiben. Nach dem Abpfiff trin- ken die meisten Spieler noch ein Bier mit demGegner, tref- fen Bekannte oder verfolgen als Zaungäste andere Ligaspiele. Vor allem diese «dritte Halbzeit» sei es, welche die Alternativliga vom normalen Klubfussball unterschei- det, sagt der langjährige Ligapräsident Mämä Sykora. Und er verweist auf denKodex imVerbandsreglement: «Schöne Spiele gegen liebe Gegner, nicht hässliche Spiele gegen böse Gegner sind Ziel dieser Liga.» Respekt für den Gegner ist das oberste Gebot im Regelwerk «und nach dem Spiel wer- den ordentlichHände geschüttelt.» Fairplaywird besonders belohnt und zählt in der Rangliste nach den Siegen mehr als die Tordifferenz. Als unfair gelten auch Verstärkungen mit externen Spielern, etwa mit Talenten aus «normalen» Klubs ausserhalb der Alternativliga. Nicht toleriert werden Diskriminierung und Gewalt auf dem Spielfeld. In seiner 14-jährigenAmtszeit hat Sykora jedoch nur einen einzigen Fall einer Tätlichkeit erlebt. Der fehlbare Spielerwurde aus der Liga verbannt. Im Visier des Staatsschutzes Politische Ziele verfolgt der «Fortschrittliche Schweizeri- sche Fussballverband» (FSFV), wie die Zürcher Alternativ- liga seit ihrer Gründung 1977 offiziell heisst, längst nicht mehr. Damals erhofften sich anarchistische Kreise, die zer- splitterte Linke inZürich «wenn schon nicht an einen Tisch, so doch wenigstens auf dem Fussballplatz zusammenzu- bringen», schreibt Ex-Mittelfeldspieler Christoph Kohler, Historiker undAutor des Dokumentarfilms «Ein Tor für die Revolution», in der Vereinsgeschichte. Prompt gerieten die «Schöne Spiele gegen liebe Gegner» Das grosse Geld regiert die Fussballwelt. Doch in der Schweiz gibts eine bunte Alternativliga, die in ihren wilden Anfängen gar noch das Streikrecht kannte. Praktisch unverzichtbar ist für die idealistischen Kicker die «dritte Halbzeit», in der nie Tore fallen. Die Paninis der Alter- nativszene: Einblick in die Gründerzeit, Emotionen im Spiel Schachtjor – Rotor und das Team «Rosa Liga». Fotos Reto Oeschger

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