Schweizer Revue 4/2018

21 Schweizer Revue / Juli 2018 / Nr.4 wenigen Ausnahmen das offizielle Regelwerk des Schwei- zerischen Fussballverbandes. Auch in Bern, Basel, St. Gallen Zur Jahrtausendwende entstanden in anderen Deutsch- schweizer StädtenAlternativligen, so in Basel («Unsri Liga»), St. Gallen («Brodworscht-League») und in Bern («F.O.U.L»). Dort ergriff 1995 eine Mannschaft aus dem Umfeld des au- tonomen Kulturzentrums Reitschule die Initiative zur Gründung einer Alternativligamit vorerst vierMannschaf- ten. Inzwischen kicken 20 Männerteams in zwei Stärke- klassen an den Spieltagen der Alternativliga auf der Berner Allmend. 2010 kam die Frauenliga mit sieben Teams dazu. Zu ihnen gehören die Fussballerinnen von «Miss en place». Die Idee zur Gründung eines Frauenteams sei imHerbst 2013 beim Feierabendbier entstanden, erinnert sich Lisia Bürgi. Die Studentin arbeitete damals in einem Berner Re- staurant, dessen Personal bereits eineMännermannschaft stellte. Bürgi hatte vorher nie Fussball gespielt. Die Hemm- schwelle, als damals 23-Jährige ohne Vorkenntnisse in ei- nen herkömmlichenKlub einzutreten, wäre für sie zu hoch gewesen. «Für uns steht der Spass imVordergrund. Und es ist toll zu erleben, wie wir uns technisch laufend verbes- sern.» Weil es in der Frauenliga mit je sechs Spielen in der Hin- und der Rückrunde nicht allzu häufig Ernstkämpfe zu bestreiten gibt, hat das wöchentliche Training bei «Miss en place» einen grossen Stellenwert. Zudem haben die Frauen der Berner Liga jüngst einen Crash-Kurs bei einem erfahrenen Schiedsrichter besucht.Wie in allenAlternativ­ ligen üblich, muss auch jedes Frauenteam für die Partien der anderen Mannschaften ein Schiedsrichtertrio stellen. «Das hat uns sehr geholfen. In der Hitze des Gefechtes ei- nen Penalty-Entscheid fällen zu müssen, ist nicht immer einfach.» THEODORA PETER IST FREIE JOURNALISTIN IN BERN (SPRACHKRAFT.CH) linken Kicker ins Visier des Staatsschutzes, wie der Fichen­ eintrag vom7. Juli 1977 (siehe Abbildung) zeigt. Das Zürcher Sportamt hatte die für die Platzbenutzung angeforderten Mitgliederlisten offenbar schnurstracks an die Polizei weitergeleitet. Erst Jahrzehnte später entschuldigten sich die Behörden. ZurWiedergutmachung stellte das Sportamt 1992 dem Verband anlässlich des 25-Jahre-Jubiläums das Zürcher Letzigrundstadion für die Finalspiele zur Verfügung. Ehrgeiz kollidierte mit linken Idealen Die Gründer wollten die linken Ideale auch auf den Fuss- ballplatz übertragen: Schiedsrichter, Ranglisten und ein- heitliche Fussballtrikots wurden abgeschafft. Eingeführt wurde hingegen das Streikrecht: Wer das Gefühl hatte, die Fairness werde einem «Sieg um jeden Preis» geopfert, konnte eine Spielunterbrechung samt Diskussion einfor- dern. Doch die Ideale scheiterten gemäss Kohler nicht zu- letzt daran, «dass Ehrgeiz und Siegeswille wohl weniger Symptome des kapitalistischen Unterbaus, sondern dem Fussballspiel immanent waren». Das bekamen auch die physisch unterlegenen Frauen zu spüren. Liess man sie im Zeichen der Gleichberechtigung anfänglich noch mitspie- len, kamen sie imLauf der Zeit immer seltener zumEinsatz. Die Enttäuschten schlossen sich zunächst im Frauenteam «Mama Zurigo» zusammen, doch nach einer Saison gaben sie auf. Überhaupt fristete die Alternativliga in den 1980er-Jahren ein Mauerblümchendasein. Einen neuen Aufschwung gab es in den 1990er-Jahren. 1994 sorgte die Schweizer Fussballnationalmannschaft an der WM in den USA für Furore. Auch in der linken Szene wurdemitgefiebert. «In» war Fussball auch beimPartyvolk. Zunehmend schlossen sichMannschaften von Szeneklubs, Trendbars oder Kulturlokalen der Alternativliga an. Auch auf demPlatz fand eine Entpolitisierung statt: Die Schieds- richter wurden wieder eingeführt, und bis heute gilt mit

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