Schweizer Revue 5/2018

Schweizer Revue / September 2018 / Nr.5 3 Vor vielen Schweizer Schulstuben stehen heute Kinderschuhe von sehr unterschiedlicher Grösse: ganz kleine neben grösseren. Auf der Schuhablage wird ablesbar, was drinnen imSchulzimmer passiert. Immer mehr Primarschulen setzen auf altersdurch- mischte Klassen. Statt die Kinder nach Jahrgängen geordnet zu unterrichten, werden Klassen aus Kin- dergartenkindern, Erst- und Zweitklässlern gebildet. So sollen die Kinder zu Beginn ihres Bildungsweges nach individuellem Tempo lernen können und sich soziale Kompetenzen aneignen. Solche Änderungen sind auffällig, andere sind allerdings tiefgreifender. Die Primar- schulen passen sich derzeit einem neuen Lehrplan an, einem Lehrplan, der ihr Grundverständnis verändert. Die Schule will künftig nebst reinem Wissen primär Lernstrategien vermitteln, also die Kompetenz, sicher durch den Ozean des Wissens zu navigieren. Jene, denen solche Veränderungen Sorge bereiten, klagen, der für die Schweiz so wichtige «Rohstoff Bildung» drohe an Gewicht zu verlieren. Fest steht: Die Investitionen der Schweiz in die Bildung sind beträchtlich. Rund 37Milliarden Frankenwenden Bund, Kantone undGemeinden jedes Jahr für deren Finanzierung auf. Dies wird in Bildungsdebatten stets gerne unter­ strichen. Wer genau hinschaut, relativiert die Zahlen allerdings: ImVerhält- nis zu unsermhohen Bruttoinlandsprodukt sind die Bildungsausgaben sehr durchschnittlich. Die Schweiz rangiert so betrachtet nur im Mittelfeld der Industrienationen – auf Rang 23. Die Debatte über die Primarschule der Zukunft wirkt oft etwas akade- misch. Ganz Ungeplantes undUngewolltes verändert sie nämlich zusätzlich: Wie unsere AutorinMireille Guggenbühler aufzeigt, unterrichten an Primar- schulen immer weniger Männer. Sie erachten die Löhne als zu tief. Vor den Klassen stehen grossmehrheitlich Lehrerinnen. Ohne sie würde der Schul- alltag kollabieren. Aber ohneMänner vor der Klasse fehlen denKindernwich- tige Rollenvorbilder. Auch dies ist einAspekt, der dieQualität der Schulemit- bestimmt. Schliesslich noch in eigener Sache: Die Monate meiner interimistischen Leitung der «Schweizer Revue» gehen zu Ende. Ab jetzt werde ich die «Revue» als Chefredaktor verantworten, mitgestalten und weiterentwickeln dürfen – unterstützt von einem tollen Team. Ich hoffe, dass es der «Revue» glückt, weiterhin ein stimmiges und gültiges Bild dessen zu zeichnen, was die Schweiz prägt und bewegt. Dabei zählenwir auch aufs Echo der Leserschaft. In Zeiten wachsender medialer Aufregung will die «Revue» übrigens eines bleiben: solide und verlässlich. MARC LETTAU, CHEFREDAKTOR Editorial 5 Briefkasten 6 Schwerpunkt Verdichtete Bauweise schont primär den Boden, nicht die Nerven 10 Politik Völkerrecht: Die Schweiz stimmt über ganz Grundsätzliches ab Winzige Gruppe bringt Referendum gegen Sozialdetektive zustande 13 Reportage Die Schweizer Volksschule im rasantenWandel 16 Literaturserie Der Schriftsteller Thomas Hürlimann im geteilten Berlin Nachrichten aus aller Welt 17 Gesellschaft Rita Soltermann war Verdingkind: Die Narben von damals bleiben Erfolgloser Kampf für einen neuen Schweizer Nationalpark 22 ASO-Informationen ASO lanciert Petition für die zügige Einführung des E-Votings 26 news.admin.ch 28 Gesehen Walter Mittelholzer, der Flugpionier mit der Kamera 30 Gelesen / Gehört 31 Herausgepickt / Nachrichten Inhalt Bunte Schuhe, bunte Schule Titelbild: Feinsäuberliche Ordnung im Gang des Stadtberner Schulhauses Spitalacker. Foto: Adrian Moser

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