Schweizer Revue 6/2018
Schweizer Revue / November 2018 / Nr.6 11 mit Sonderstatus nicht dramatisch ansteigen zu lassen, weil man sonst ihrenWegzug befürchtet. Die Kantone werden ihre Gewinnsteuern also generell senken. Die Statusge sellschaften zahlen künftig etwas mehr, die heute nicht steuerprivilegierten Firmen, also vor allemdie heimischen KMU, aber weniger. Das führt zu hohen Steuerausfällen, gewissermassen der Preis für die Gleichbehandlung aller Firmen. Um für die bisherigen Statusgesellschaftenweiter hin attraktiv zu bleiben, werden neue, international akzep tierte Steuerprivilegien eingeführt. Stichworte sind dabei die Patentbox (tiefere Besteuerung von Erträgen aus Paten ten), Sonderabzüge für Forschung und Entwicklung, sowie ein Abzug für Eigenfinanzierungen. Die Besteuerung von Dividenden bei Grossaktionären wird im Gegenzug wie der etwas erhöht. Der Bund überlässt denKantonen zudem eine weitere Milliarde aus der direkten Bundessteuer – so erhalten sie mehr Spielraum für eigene Steuersenkungen. In denGrundzügen ist die aktuelle Reformähnlichwie die im vergangenen Jahr abgelehnte, man hat jedoch die Mechanik so angepasst, dass die Steuerausfälle etwas klei ner werden sollten. Sozialer Ausgleich via AHV Nun kommt die AHV ins Spiel. Auch die Renten gehören, wie die Steuern, zu den Grossbaustellen helvetischer Poli tik. Und auch die grosse Rentenreform fand 2017 keine Gnade vor dem Volk. Nun sind Politikerinnen und Politi ker vor allem aus SP, CVP und FDP auf die Idee gekommen, im Sinne eines sozialen Ausgleichs neue Finanzmittel für die AHV in die Steuervorlage zu packen. Die geschätzten rund zwei Milliarden Franken Steuerausfälle aus der Steuerreform sollten durch Beiträge in der gleichen Höhe in die AHV kompensiert werden. Finanziert werden soll das durch erhöhte AHV-Beiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern und durch mehr Bundesmittel an die AHV- Kasse. Eine Rentenreform ist das nicht, aber immerhin habeman einwenig Zeit gewonnen für eine grundlegende Reform, sagen die Befürworter. Leidenschaftliche Debatten Das etwas ungewöhnliche Paket führte zu leidenschaft lichen Debatten in Parlament und Öffentlichkeit. So rich tig zufrieden ist niemand. Es sei keine gute Vorlage, sagte etwa der Bündner FDP-StänderatMartin Schmid; doch vor demHintergrund der gescheiterten Unternehmenssteuer reform III sei es die beste Lösung. Der Zuger CVP-Stände rat Peter Hegglin stimmte zu, «weil wir für ein ernsthaftes Problem eine tragfähige Lösung brauchen.» Und der Solo thurner SP-Ständerat Roberto Zanetti bezeichnete die Ar beit der Kommission, welche die Vorlage ausgearbeitet hatte, gar als «Sternstunde des Parlamentarismus». Weni ger euphorische Worte benutzte der Schwyzer SVP-Stän derat Peter Föhn, der vor der Verknüpfung zweier geschei terter Vorlagen warnte. Kranke zu verheiraten habe noch nie zum Erfolg geführt, befand er. Die SVP lehnte die Vorlage imParlament denn auch ab, doch der Schulterschluss von SP, FDP und CVP setzte sich letztlich in beiden Kammern durch. Bloss: Dem Deal schlägt fast in allen politischen Lagern Skepsis entgegen. Diverse Gruppen haben unmittelbar nach der Herbstses sion das Referendum angekündigt: die Jungparteien von SVP und Grünliberalen, aber auch die Grüne Partei, zu sammen mit weiteren Organisationen aus dem grün-ro ten Spektrum. Die Vorlage, so lautet die linke Kritik, sei in denwesentlichen Punkten eine Kopie der Unternehmens steuerreform III und heize den internationalen Steuer wettbewerb an. Dabei haben die Spitzen des Schweizeri schen Gewerkschaftsbundes (SGB) und der SP – in erster Linie die Ständeräte Paul Rechsteiner (SGB-Chef) und Christian Levrat (SP-Präsident) – im Parlament das Ge samtpaket wesentlich geprägt und ausgehandelt. Wie tief die Linke gespalten ist, zeigt der Positionsbezug von Ge werkschaften und SP: Der SGB hat Stimmfreigabe be schlossen, die SP-Basis hat sich zwar an einer Delegierten versammlung hinter ihren Präsidenten Levrat gestellt, doch die heftige Debatte und das Abstimmungsresultat (148 Ja und 68 Nein) illustrieren den tiefen Graben inner halb der Partei. «Schweizer Wohlstand steht auf dem Spiel» Auf der gleichen Seite wie Levrat kämpft für einmal Heinz Karrer, Präsident des Wirtschaftsdachverbandes Eco nomiesuisse. Beim Scheitern der Vorlage stehe «ein wichti ger Pfeiler des Schweizer Wohlstands auf dem Spiel», schreibt Karrer in der «NeuenZürcher Zeitung». Der Unter nehmensstandort Schweiz müsse alles tun, um das «kata strophale Szenario einer schwarzen Liste» zu vermeiden. Sollte das Kompromisspaket an der Urne scheitern, müss ten die heutigen Steuerregeln rasch und ohne abfedernde Massnahmen aufgegeben werden, die Steuern würden für betroffene Firmen auf einen Schlagmassiv steigen, waswie derum grosse Unternehmen dazu veranlassen könnte, die Schweiz zu verlassen. Sollte das Referendum zustande kommen, muss der Steuer-AHV-Deal am19. Mai 2019 vomVolk genehmigt wer den. Der Ausgang ist offen. Die Befürworter der Vorlage sehen sich einer heterogenen Gegnerschaft gegenüber: linken Steuersenkungs-Gegnern, rechter Opposition ge gen die AHV-Finanzierung sowie Gesetzes-Ästheten, die die Verbindung der Steuervorlage mit der AHV-Finanzie rung nicht goutieren mögen.
RkJQdWJsaXNoZXIy MjYwNzMx