Schweizer Revue 6/2018

Schweizer Revue / November 2018 / Nr.6 17 Wissen THEODORA PETER In den Schweizer Bergenwar diesen Sommer öfters das Dröhnen von Armeehelikoptern zu hören. Mehr als 500Mal transportierten Super- pumas Wasser auf abgelegene Alpwirtschaften – insgesamt über 1300 Tonnen. EineMilchkuh trinkt pro Tag 40 bis 80 LiterWasser. Vor allem auf Alpen in derWest-, Ost- und der Zentralschweiz waren die Wasserreservoire versiegt. Wo eine Zufahrt möglich, karrten Zisternenwagen dasWasser in die Höhen. Ansonsten hätten die Tiere früher ins Tal gebracht werden müssen. Doch auch dort machte die Dürre den Bauern zu schaffen.Weil kaumGras auf den Weidenwuchs, musste den Kühen entweder Heu aus denWintervorräten verfüttert oder Futtermittel zugekauft werden. Vielen Landwirten wurde das zu teuer. Sie brachten ihre Tiere frühzeitig zur Schlachtbank oder stiessenmehr Vieh ab als geplant. Tiefe Preisewaren die Folge. Die Er- löse für Schlachtvieh gerieten auch deshalb unter Druck, weil die Branchenorganisation Proviande Ende Juni den Import von 800 Ton- nen Rindfleisch freigegeben hatte. Dies sorgte bei den Bauern für Un- mut. Um den Fleischmarkt zu entlasten, verlängerte Proviande die normalerweise vierWochen dauernde Importperiode schliesslich bis Ende September. Die Trockenheit wirkte sich auch auf die Getreideernte aus. Swiss Granum rechnet für 2018 mit deutlich tieferen Mengen bei Weizen, Gersten und Raps. Die Obstbauern ihrerseits waren zu einer frühen Ernte gezwungen, nachdem das Wachstum der Früchte zum Still- stand gekommen war. Immerhin sind die etwas kleineren Äpfel von hervorragender Qualität – eine gute Nachricht im Vergleich zur rekordtiefen Ernte 2017, als Frost im Frühling für grosse Ausfälle sorgte. Fischsterben trotz «Kühlzonen» Die fehlenden Niederschläge liessen die Pegel- stände von Flüssen und Seen sinken – und die Hitze sorgte für steigendeWassertemperaturen: Der Rhein bei Schaffhausen wurde diesen Som- mer erneut über 27 Grad warm. Was den Baden- den gefallen mag, ist für Wasserlebewesen lebensbedrohend. So zeigen kaltliebende Fisch­ arten wie die Äsche bereits ab 23 Grad erste Stresssymptome. Nachdem im Hitzesommer 2003 fast 95 Prozent der Äschen verendet waren, wurden heuer anmehreren Bachzuflüssen zum Rhein «Kühlzonen» ausgebaggert, wo die Fische im tieferen und kühleren Wasser Zuflucht fin- den sollten. Trotzdem kam es im August im Rhein zu einem grösseren Fischsterben. Nebst Äschen verendeten auch zahlreiche Forellen. In anderen Regionen wurden austrocknende Bäche und Flüsse ausgefischt und die Fische in grösseren Gewässern wieder ausgesetzt. Wegen der Trockenheit riefenmehrere Kantone die Bevölkerung zum Wassersparen auf. Zu einer akuten und flächendeckenden Wasserknappheit kam es im Sommer aber nicht. Als «Wasserschloss Europas» verfügt die Schweiz über grosse Wasserreserven. Gemäss Bundesamt für Umwelt werden 80 Prozent des hiesigen Trinkwas- sers aus Grundwasser gewonnen. Dieses reagiert erst mit einer Ver- zögerung von bis zu mehreren Monaten auf Trockenheit. Gletscherschwund geht weiter Die hohen Temperaturen liessen auch 2018 die Gletscher in den Alpen weiter schmelzen. Die Trockenheit kam als weiteres Übel dazu. Denn Niederschläge, die in grosser Höhe als Schnee fallen, können helfen, die Gletscher dank einer Schneeschicht vor zunehmender Aus­ aperung zu schützen. Für die kleinen und tiefer gelegenen Gletscher kommt aber laut Forschern jede Hilfe zu spät. Aufgrund der Erd­ erwärmung dürften bis 2100 bis 80 Prozent der Eismasse verschwun- den sein. Durch Klimaschutz könnten zumindest noch die grossen Gletscher vor dem totalen Verschwinden bewahrt werden. THEODORA PETER IST FREIE JOURNALISTIN IN BERN (SPRACHKRAFT.CH) Trockenheit imWasserschloss Europas Die Schweiz erlebte 2018 den heissesten Sommer seit 1864. Er war nicht nur heisser als der bisherige Rekordsommer 2003, sondern zugleich aussergewöhnlich trocken. Die Folgen sind nachhaltig spürbar. Das war ein gängiges Bild im Sommer 2018: Helikopter der Armee versorgen in den Bergen Kühe – hier die Alp Oberbätruns bei Schänis – mit Wasser. Foto: Keystone

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