Schweizer Revue 6/2018
Schweizer Revue / November 2018 / Nr.6 8 Schwerpunkt undQuartierarbeit zu verbinden. Der Kirchenraum ist jetzt ein multifunk- tionaler Saal. Solche Projekte hätten nicht das Ziel, Gläubige und damit Steuerzahler zurückzugewinnen, sagt Stückelberger: «Es geht um den ge- samtgesellschaftlichen Auftrag der Kirchen.» Multifunktionalität lautet also das Stichwort. Und wenn Beatrice Tobler und Franziska Huber über die Zu- kunft der Berner Pauluskirche spre- chen, reden letztlich auch sie über multifunktionelle Räumlichkeiten. Zum einen möchten sie ihr leider et- was abseitsstehendes, aber stark be- lebtes Kirchgemeindehaus aufgeben und unmittelbar bei der Kirche ein vielseitiges «Haus fürsQuartier» bauen – und damit das Gemeindeleben ört- lich konzentrieren. Auch fürs eigent- liche Kirchengebäude verfolgen sie eine Vorwärtsstrategie: Falls die Kir- che von mehreren Partnern genutzt würde – «mit vollumfänglicher Kos- tenteilung», wie die Vorgabe lautet –, käme der Weiterbetrieb in Frage. Beatrice Tobler bezweifelt jedoch, ob eine rentable Nutzung, wie sie beim skizzierten Quartierhaus unter ande- rem dank Mietwohnungen vermut- lichmöglichwäre, auch bei der Kirche hinzukriegen ist. Das Kirchenschiff als Hörsaal? Trotz der Zweifel und der Schwierig- keiten: Ideen sind vorhanden. Eine be- trifft die expandierende Universität der Bundesstadt. Sie hat Bedarf an grossen Räumen. «Das könnte eine Chance sein», sagt Beatrice Tobler: «Wir hätten einen verlässlichenMieter. Es wäre mehr als ein Tropfen auf den heissen Stein.» Konkret geht es umdie Frage, ob die medizinische Fakultät den Kirchenraum als Vorlesungssaal benutzen könnte. Franziska Huber sieht darin kein Problem. Im Gegen- teil, eswürde sich einKreis schliessen. Bildung sei «urreformiert», sagt sie, gewissermassen Teil des reformierten Erbguts. Zudem seien die ersten Uni- versitäten aus kirchlichen Institutio- nenhervorgegangen, aus Kloster- und Domschulen. Aber bereits sind Einwände zu ver- nehmen. Wäre es zumBeispiel für an- Die Entwicklung der Religionslandschaft Ständige Wohnbevölkerung ab 15 Jahren 100% 80% 60% 40% 20% 0% 1970 1980 1990 2000 2010 2016 Römisch-katholisch Evangelisch-reformiert Andere christliche Glaubensgemeinschaften Jüdische Glaubensgemeinschaften Islamische Glaubensgemeinschaften Andere Religionsgemeinschaften Konfessionslos Religion/Konfession unbekannt Beispielhaft gelöst: Maihofkirche Luzern Die 1941 erbaute katholische St.-Josef-Kirche im Luzerner Maihofquartier hat eine besondere Erneuerung hinter sich. Statt das Pfarreizentrum wie üblich zu sanieren, beschloss die Kirchen leitung, das Ensemble auch an die Bedürfnisse der Quartier- und Stadtbewohner anzupassen. In der Kirche, deren Bänke ausgebaut wurden, lassen sich nun nebst Gottesdiensten Tagungen, Ausstellungen, Konzerte, Seminare sowie Bankette abhalten. Im Untergeschoss sind ein Kindergarten und eine Spielgruppe eingemietet. Radikal entschieden: Markuskirche Basel In der 1932 gebauten evangelisch-reformierten Markuskirche im Basler Hirzbrunnen-Quartier werden seit 2009 keine Gottesdienste mehr ab gehalten. Die betroffene Kirchgemeinde zieht die radikalste aller möglichen Konsequenzen und hat den Abbruch der Kirche beschlossen. Er dürfte 2019 erfolgen. Verschwinden wird der das Quartier prägende schlanke, freistehende Glockenturm mit dem Turmhahn des renommierten Grafikers Celestino Piatti (1922–2007). Stattdessen sollen auf dem Gelände Wohnungen gebaut werden. Quellen: BFS – VZ (1970–2000), Strukturbehebung (SE, 2010–2016) © BFS 2018
RkJQdWJsaXNoZXIy MjYwNzMx