Schweizer Revue 1/2019

Schweizer Revue / Januar 2019 / Nr.1 13 Interesse: Knapp die Hälfte der Befrag­ ten steht der Vorratshaltung von Schnee positiv gegenüber. Zwar er­ setzt es die grossflächige Beschneiung nicht, kompensiert aber die kurzen Beschneiungszeiten im Vorwinter – wenn es zu warm ist, um die Schnee­ kanonen laufen zu lassen. Nullgradgrenze klettert massiv in die Höhe Mit der Klimaerwärmung steigen die Durchschnittstemperaturen auch im Winter weiter an – gemäss den neus­ ten Klimaszenarien CH2018 (siehe Zusatztext) für die Schweiz um 2,0 bis 3,5GradCelsius. DieWissenschaft­ ler rechnen demnach bis ins Jahr 2060 mit einem Ansteigen der Nullgrad­ grenze im Winter von heute 850 Metern auf bis zu 1500 Metern über Meer. Ohne Klimaschutzmassnah­ men könnte die Nullgradgrenze bis Ende des 21. Jahrhunderts imWinter gar bis auf eineHöhe von 1900Metern klettern – also bis auf die Höhe der Tschentenalp. In tieferen Lagen unter 800 Me­ tern sind schneearme Winter inzwi­ schen keine Ausnahme mehr: Seit 1970 hat sich die Zahl der Schneetage auf dieser Meereshöhe halbiert. Der Schneemangel weitet sich jedoch zu­ nehmend auf höhere Lagen aus: Bis Mitte des Jahrhunderts dürfte die Schneebedeckung unterhalb von 1000 Metern um etwa die Hälfte schwinden – bis Ende des Jahrhun­ derts wahrscheinlich sogar um über 80 Prozent. Dann fallen auch dort die Niederschläge in Form von Regen, was zu Überschwemmungen führen könnte. Wärmere Luft kann mehr Wasser aufnehmen.Wird die Klimaer­ wärmung nicht gebremst, könntendie Starkregen imWinter um 10 Prozent heftiger ausfallen – laut den Prog­ nosen bis Ende Jahrhundert gar um 20 Prozent. Gletschern fehlt «Nahrung» Auch die meisten Alpenorte müssen gemäss den Klimaszenarien mit ei­ nem Rückgang der Schneefälle rech­ nen, insbesondere im Frühjahr. Fatal sind die geringen Schneemengen für die Gletscher: Ihnen fehlt zunehmend die «Nahrung». Zudem beschleunigt das Fehlen einer schützenden Schnee­ decke das Abschmelzen der Eismasse. Seit 1850 büssten die Alpengletscher rund 60 Prozent ihres Volumens ein. Allein in den letzten zehn Jahren ging ein Fünftel der Gletschermasse verlo­ ren. Zwar war der vergangeneWinter 2017/18 vielerorts der schneereichste seit 20 Jahren. In den warmen und trockenen Monaten April und Mai schmolz die dicke Schneedecke aber rasch wieder dahin. Kommt dazu, dass der Sommer 2018 extremtrocken (siehe «Revue» 6/2018) war. So gab es auf dem Weissfluhjoch auf 2540 Metern seit Messbeginn vor 81 Jahren noch nie so wenig Sommer-Neu­ schnee wie im vergangenen Jahr. Kunstschnee braucht viel Wasser Die Trockenheit hat auch Auswirkun­ gen auf das Wassermanagement in den Skigebieten. Denn dieHerstellung von Kunstschnee braucht viel Wasser. So wird zum Beispiel in Davos für die Beschneiung jährlich rund ein Fünf­ tel des gesamten Wasserverbrauchs der Gemeinde versprüht. Und die Schneekanonen laufen just dann, wenn die Pegel von Bächen und Flüs­ sen ohnehin tief sind. In den letzten Jahren bauten die Pistenbetreiber deshalb vermehrt Speicherseen als Wasserreserve. Jedoch verfügen nur zwei von drei Skigebieten, die künst­ lich beschneien, über einen solchen Speichersee. Ohne lokalen Wasser­ speicher wird die Beschneiung bei Trockenheit aber schwieriger: Wird das Wasser aus Fliessgewässern ent­ nommen, darf eine bestimmte Rest­ wassermenge nicht unterschritten werden. Das führt angesichts zu­ nehmender Trockenheit zu Zielkon­ flikten. SLF-Masterstudentin Pascale Josi hat 120 Schweizer Skigebiete zu ihrem UmgangmitWasser befragt. Ihr Fazit: In jedem vierten Skigebiet wird ein «Konfliktpotenzial» zwischenWasser­ management und technischer Be­ schneiung erkannt. Gefragt hat die Forscherin die Skigebietsbetreiber auch danach, woher sie das Wasser nehmen, das für die Herstellung von Kunstschnee gebraucht wird: 34 Pro­ zent beziehen das Wasser aus Bächen und Flüssen, 30 Prozent aus der Trink­ wasserversorgung, 21 Prozent aus Quellen und 15 Prozent aus natürli­ chen Seen. Gerade nach Trockenperiodenwie in den letzten Jahren könne das Was­ ser knappwerden, hält die Forscherin fest – dies vor allem in inneralpinen, niederschlagsarmen Tälern. Landes­ weit gesehen sei die Herstellung von Kunstschnee aber nicht direkt be­ droht: Nach wie vor gelten die Alpen als «Wasserschloss Europas». THEODORA PETER IST FREIE JOURNALISTIN IN BERN ( SPRACHKRAFT.CH) Der Blick ins Schweizer Wetter der nahen Zukunft Die im November publizierten «Klimaszenarien CH2018» zeigen, wie der Klimawandel die Schweiz in den nächsten Jahrzehnten verändern wird. Nach 2007 und 2011 ist dies der dritte Bericht, den die Klimaforscher von MeteoSchweiz, ETH Zürich und Universität Bern Universität im Auftrag des Bundesrates erarbeitet haben. Neu liegen erstmals quantitative Angaben vor, zum Beispiel über die zu erwartende Niederschlagsmenge bei Starkregen. Der Bericht ist online mit einem Webatlas und umfangreichen Datenbanken für jede Region verknüpft. https://www.nccs.admin.ch/nccs/de/home/klimawandel-und-auswirkungen/ schweizer-klimaszenarien.html

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