Schweizer Revue 1/2019

Schweizer Revue / Januar 2019 / Nr.1 14 Reportage JÜRG MÜLLER ImMittelalter versuchten Alchemisten aus unedlenMetal- len Gold zu machen. Heute versuchen Ingenieure der Eid- genössischen TechnischenHochschule Zürich (ETHZ), aus etwas Unsauberem etwas Wertvolles zu machen. Der Un- terschied: Damals klappte es nicht, heute funktionierts. Etwa beim Kohlendioxid (CO 2 ), das als Treibhausgas eine wesentliche Ursache der Klimaerwärmung ist. Man kann CO 2 aus der Luftfiltern – und als Kohlensäure inGetränken wiederverwenden. Oder man kann CO 2 ganz aus dem Ver- kehr ziehen und in geeignetenGesteinsformationen tief im Erdinnern gefahrlos endlagern. Ein ETH-Start-up startet durch Das Schweizer Cleantech-Unternehmen Climeworks in Zürich-Oerlikon leistet auf diesemGebiet weltweit Pionier- arbeit. Die Firma wurde 2009 als Start-up der ETHZ von denMaschinenbau-IngenieurenChristophGebald und Jan Wurzbacher gegründet undwächst rasch: Die Zahl derMit- arbeitenden ist allein zwischenDezember 2017 undAugust 2018 von 45 auf 60Vollzeitstellen angestiegen. Die Ziele des Unternehmens sind nicht gerade bescheiden: Climeworks will mit High-Tech-Methoden einen wesentlichen Beitrag zur Reduktion des klimaschädlichenKohlendioxids in der Atmosphäre leisten. «Das Ziel ist sehr ehrgeizig», sagt Louise Charles, Medienverantwortliche von Climeworks, gegen- über der «Schweizer Revue». «Doch die Motivation inner- halb der Firma ist sehr gross. Wir kriegen das hin.» Die Ent- wicklung schreite schnell voran und «der Wirkungsgrad der Technologie wächst rasch.» Climeworks habe gegen- über zwei ähnlichenUnternehmen inKanada und denUSA die Nase vorn, sagt Louise Charles, vor allem auch bei der kommerziellen Nutzung. Climeworks arbeitet mit verschiedenen Investoren und mehreren Konsortien aus Industrie und Forschung zusam- men, wird vomBundesamt für Energie unterstützt und ist auch an EU-Forschungsprogrammen beteiligt, etwa Hori- zon 2020. Das Vertrauen der Investoren steigt, wie die «Neue Zürcher Zeitung» imAugust 2018 berichtete: In einer vierten Finanzierungsrunde habe das Unternehmen wei- tere 30 Millionen Franken beschafft. Im Prinzip einfach Das technische Prinzip ist einfach: CO 2 bindet sich che- misch an einen Filter. Was bleibt, ist Luft ohne CO 2 . Mit Hitze kann man das CO 2 wieder vom Filter lösen und für andere Zwecke verwenden. Climeworks gilt als führend in der sogenannten Direct-Air-Capture-Technologie (DAC): Mit dieser Technologie wird das CO 2 direkt aus der Umge- bungsluft angesogen und gefiltert. Das weltweit erste kom- merzielle Projekt dieser Art steht seit 2017 im zürcheri- schen Hinwil. Dort saugen 18 Ventilatoren die Luft durch ein raffiniertes Filtersystemund entfernen so 900 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr. Betrieben wird die Pilotanlage mit der Abwärmeenergie der örtlichenKehrichtverbrennungs- anlage, und das aus der Luft gelöste Kohlendioxid wird dann als gasförmiger Dünger an einen benachbarten Ge- müseproduzenten verkauft. Das abgesaugte CO 2 kann also für unterschiedliche Zwecke wiederverwertet werden. Es könnte auch als Basis-Chemikalie für industrielle Produkte dienen, wie etwa für Kunststoff oder gar Sprit, was auch die Abhängig- keit vomErdöl reduzieren könnte.Wennman das CO 2 aber endgültig aus der Atmosphäre entfernen will, darf man es nicht wieder in Umlauf bringen, sondern muss es dauer- haft entsorgen. Auch hier leistet die Firma Climeworks Pionierarbeit. Aus Kohlendioxid wird Kalkstein Während der Bonner Klimakonferenz vomNovember 2017 stellte Climeworks ein neuartiges Verfahren vor, durch das CO 2 aus der Atmosphäre entfernt und unterirdisch mine- ralisiert wird: In Island betreibt Climeworks zusammen mit dem EU-Forschungsprojekt CarbFix einen speziellen «Luftstaubsauger»: Auf der Nordatlantik-Insel wirdCO 2 aus der Luft gefiltert, mitWasser vermischt und dann in unter- irdische Basaltsteinkavernen gepumpt. Die Kohlensäure Die CO 2 -Staubsauger-Pioniere aus Zürich-Oerlikon Ein Schweizer Unternehmen will den Klimakiller Nummer eins aus der Luft absaugen und tief im Boden in Kalkstein verwandeln. Die Climeworks- Pioniere Christoph Gebald und Jan Wurzbacher vor einem ihrer «CO 2 -Staubsauger». Foto Julia Dunlop

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