Schweizer Revue 1/2019

Schweizer Revue / Januar 2019 / Nr.1 17 auch für die Frage, «was denn eigent­ lich eine wahre Währung ist». In der Tat: Nach dem gewaltsamen Tod des Falschmünzers blieben die gefälsch­ ten Münzen in Zirkulation, weil we­ der der Bund noch der Kanton Wallis sich zuständig fühlten, die Unmengen an Münzen vom Markt zu nehmen. Crettenand: «Aus dem gefälschten Geldwurdewahres Geld, nur weil die Menschen es als solches betrachteten und seinemWert vertrauten.» Die Walliser Komplementär­ währung wurde aber nicht mit dem Zweck lanciert, den mausetoten Fal­ schmünzer zusätzlich zu verklären. Vielmehr wolle man die lokale Wirt­ schaftundGemeinschaft stärken, sagt Crettenand. Mit der lokalenWährung werde dasWalliser Gewerbe animiert, ein Netzwerkmit lokalen Lieferanten zu knüpfen und gleichzeitig noch stär­ ker auf die lokalen Konsumenten zu­ zugehen: «Ohne die Komplementär­ währung und ohne neues Netzwerk sind die Überlebenschancen des loka­ len Gewerbes geringer.» Der Farinet sei somit die optimistische Antwort auf die Frage, wie ein nachhaltiges Wirtschafts- und Gesellschaftsleben inZeiten der Globalisierung aussehen könnte: Der kleine, ergänzende Geld­ kreislauf stärkt alle, die an ihm teilha­ ben.Wer den Farinet habenwill, muss sich ins Wallis begeben. Wer ihn aus­ gebenwill, kann ihn ebenfalls nur im Wallis spendieren. Die Aura des legendenumrankten Falschmünzers lädt das saubere Zah­ lungsmittel zweifelsohne mit emo­ tionalem Mehrwert und reizvollen Spannungsmomenten auf. Somüssen Gesellschaft MARC LETTAU Vielleicht ist es an der Zeit, das Bild von der Beziehung der Schweizerin­ nen und Schweizer zu ihrem Geld et­ was zu revidieren. Ohne Zweifel ist ihr Glaube an den soliden Schweizer Frankenungebrochen. Aber imWallis zum Beispiel zirkuliert nebst dem Franken seit gut einem Jahr auch die Währung Le Farinet. Imvergangenen Herbst adelte die Walliser Kantons­ hauptstadt Sitten diese Komplemen­ tärwährung. Sie entschied nämlich, dass auch behördliche Dienstleistun­ gen neu mit Farinets bezahlt werden können. Selbst imVerkehr mit der Po­ lizei werden jetzt auch Farinets ak­ zeptiert. Der Wechselkurs zwischen Franken und Farinet erleichtert das Ganze: Ein Farinet ist exakt einen Franken wert. Wer den Reiz des behördlichen Ent­ scheids richtig würdigen will, muss den Namen der Walliser Lokalwäh­ rung richtig deuten können: Namens­ geber ist der Falschmünzer, Schmug­ gler und Behördenschreck Joseph­ Samuel Farinet (1845–1880). Der einst von Obrigkeit und Polizei Gejagte ist der berühmteste Schweizer Geldfäl­ scher und im Wallis eine Legende. Farinet steht keineswegs für Recht, Ordnung und Achtung des behörd­ lichen Tuns. Wie kommt es also, dass jetzt – von der Behörde akzeptierte – Banknoten ausgerechnet Farinets Konterfei tragen? David Crettenand ist einer der Wegbereiter der Walliser Währung. Für ihn ist ihr Name Ausdruck grosser lokaler Verankerung: «Jeder kennt Farinet.» Der Name Farinet stehe aber Die saubere Banknote, die an den grossen Falschmünzer erinnert Für Verkehrssünder muss es ein prickelndes Gefühl sein: In der Walliser Kantonshauptstadt Sitten können sie ihre Bussen der Polizei nicht nur in Franken, sondern auch mit Farinets bezahlen, also mit einer lokalen Währung, die den Namen des berühmtesten Schweizer Geldfälschers trägt. Die Noten der Walliser Komplementär­ währung gibt es in den Werten 1, 2, 5, 10, 13, 20, 50 und 100 Farinet. Foto Keystone Der Namensgeber der Währung: Der Falsch­ münzer und Schmugg­ ler Joseph-Samuel Farinet (1845–1880).

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