Schweizer Revue 1/2019

Schweizer Revue / Januar 2019 / Nr.1 3 Friedlich, neutral, der humanitären Tradition ver- pflichtet: So sehen viele die Schweiz. Viele sehen sie zudem als ganz schön wehrhaft. Die eigene Armee und die schweizerische Rüstungsindustrie sind Ausdruck davon. Was Schweizer Waffenschmiede fertigen, kommt aber auch in ausländischen Armeen und Polizeien zum Einsatz: Die Schweiz exportiert Rüstungsgüter. Das ist immer auch eine Gratwande- rung zwischen moralischem Anspruch und Geschäftssinn. Grundsätzlich tabu sind daher Waffenexporte in kriegsführende Länder. Im Sommer 2018 rüttelte der Bundesrat an diesem Tabu. Er kündigte an, je nach Sachlage auch Exporte in Bürgerkriegsländer zu erlauben. Denn nur eine in ausreichendemMass produzierende und folglich exportierende Rüs- tungsindustrie könne sich technologisch à jour halten. Die Idee war schlecht. Der Aufschrei laut. Die politische Folge deutlich. Innerhalb von nur zwei Tagen sicherten schliesslich empörte Bürgerinnen und Bürger über 100000 Unterschriften für eine Volksinitiative gegen Waffenexporte in Bürgerkriegsländer zu. Koordiniert wurde der blitzartige Konter von einer breiten, primär zivilgesellschaftlich getragenenAllianz. Nie zuvor hat inder Schweiz eine neueGruppierung so rasch ihre politische Stärke ausgespielt: Die direkte Demokratie erlebt gerade ihre Beschleunigung. Der Bundesrat hat die Exportlockerung inzwischen fürs Erste abgesagt. VomTisch ist das Thema damit nicht. Es vergeht kaumeineWoche ohne neue Berichte über heutige Schweizer Exporte in kriegsführende Länder: Waffen für Saudi-Arabien, das im jemenitischen Bürgerkrieg Partei ist, Munition für das in Syrien Einsätze fliegende Russland, Bomben und Raketen für die Türkei – und soweiter. Die Exporte in Konfliktländer steigen selbst ohne die angedachte, zusätzliche Lockerung in bestürzendemMass. 2014machten sie 7,4 Prozent der gesamten Rüstungsgüterexporte aus, 2017 waren es bereits 31,2 Prozent, wie die «Neue Zürcher Zeitung» minutiös errechnet hat. Das Herbstgewitter versorgt die Schweiz mit einem Thema, dem man sich imangelaufenenWahljahr kaumwird entziehen können. Und es liefert die Erkenntnis, dass auch in der Schweiz neue, agile, zivilgesellschaftliche Player die etablierte Politik herausfordern. Imvorliegenden Fall ist das wohl gut. Was aber, wenn künftig viel diffusere Pressure-Groups in diesem Stil extreme Ziele durchzusetzen versuchen? Da wird einemetwas bange. Doch vielleicht agiert das künftige Parlament ja so klug, dass gar keine weiteren Interventionen à la Waffenexport-Allianz nötig werden? Eine erste Ein­ stimmung zu dieser Frage liefert die Wahlvorschau in diesemHeft. MARC LETTAU, CHEFREDAKTOR Editorial 5 Briefkasten 6 Schwerpunkt Die politische Landschaft der Schweiz vor denWahlen 10 Sport JulienWanders eilt der Weltspitze entgegen 12 Wissen Wintersportorte wollen mit Schnee von gestern demKlimawandel trotzen 14 Reportage Wie Schweizer Technologie CO 2 aus der Atmosphäre saugt 16 Literaturserie Warum endet Gottfried Kellers «Grüner Heinrich» so tragisch? Nachrichten aus aller Welt 17 Gesellschaft Die Walliser und ihre Alternative zum Franken 19 Politik Bundesratswahl mit Premiere 23 ASO-Informationen ASOmacht sich fürs E-Voting stark 26 news.admin.ch 28 Gesehen Der Menüplan der Zukunft 30 Gelesen / Gehört 31 Herausgepickt / Nachrichten Inhalt Kurzes Gewitter, langes Donnergrollen Titelbild: Der Genfer Sportler Julien Wanders rennt im kenianischen Morgenlicht dem Horizont entgegen. Foto: Guillaume Megevand

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