Schweizer Revue 1/2019
Schweizer Revue / Januar 2019 / Nr.1 7 wann zwar mehr Abstimmungen im Parlament als zuvor und stellte finanz- und sozialpolitische Weichen. So schützte das Parlament das Bankgeheimnis im Inland und erlaubte niederschwellige Überwachung von Sozialver sicherten durch Detektive. Eher aufMitte-links-Kurs blieb die Schweiz aber bei der Energiewende: Der Ausstieg aus der Atomenergie ist beschlossene Sache. Zudem verhinderte Uneinigkeit zwischen SVP und FDP den bürgerlichen Schulterschluss. In der Europa-Frage liegen ihre Positionen weit auseinan- der: Die SVPwäre bereit, die Personenfreizügigkeitmit der EU zu beenden, was der Freisinn wegen möglicher nach teiliger Folgen für dieWirtschaft ablehnt. Zuweilen stoppte auch der Ständerat den nach rechts gerückten Nationalrat, etwa, als dieser weitgehende Sparmassnahmen bei den Er- gänzungsleistungen für Betagte und Behinderte beschloss. Im Ständerat sind gemässigte bürgerliche Kräfte der FDP und der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP) tra- ditionell führend, aktuell können CVP und die Sozialde- mokratische Partei (SP) eine Mehrheit bilden. Überfliegerin SVP gebremst Besonders die erfolgsgewohnte SVP musste Dämpfer ein- stecken. Jahrelang hatte siemit ihren einwanderungs- und europakritischen Initiativen den Nerv der Mehrheit in der Stimmbevölkerung getroffen. 2016 dann die Überraschung: Volk und Stände schickten die sogenannte Durchsetzungs- initiative deutlich bachab. Das SVP-Begehren wollte die vom Volk zuvor bereits gutgeheissene Ausschaffung straf- fälliger Ausländer noch verschärfen. Eine breite Allianz aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Zivilgesell- schaft sah jetzt Grenzen überschritten und mahnte, Ge- waltenteilung und Grundrechte zu erhalten. «Die Abstimmung war eine Zäsur», sagt der Politikwis- senschaftler Michael Hermann (siehe Interview). Die Stimmbevölkerung habe «eine gewisseMachtanmassung» der SVP zurückgebunden. DieWahlsiegerinvon2015 spürte Gegenwind. Bei Abstimmungen stand sie öfter als früher isoliert da. Bei kantonalen Wahlen verlor sie Parlaments- sitze. Und wäre letzten Herbst gewählt worden, hätte sie gemäss Wahlbarometer von Schweizer Radio und Fern sehen auch auf nationaler Ebene Terrain verloren, bliebe aber immer noch weitaus stärkste Kraft. ImGegensatz zur SVP dürfen gemässWahlbarometer die FDP, die SP und die Grüne Partei Schweiz (GPS) auf steigende Wählergunst hoffen. Grüne blühen, SP stabil Politik wird in der Schweiz nicht nur von Parteien geprägt, sondern auch von Themen. Vor vier Jahren kamdas der SVP zugute, standen doch ihre Kernthemen Flüchtlinge undZu- wanderung zuoberst auf der Sorgenliste derWählerschaft. Inzwischen beschäftigt anderes die Leute ammeisten: die jährlich steigenden Prämien für die obligatorische Kran- kenversicherung, die Altersvorsorge. Der heisse, trockene Schweizer Sommer 2018 katapultierte zudem die Umwelt wieder unter die dringlichen Wahlthemen. Die Parteien reagieren entsprechend. SP und CVP wollen imWahljahr mit Volksinitiativen zu den Gesundheitskosten punkten, auch die FDP stellte ein Reformprogramm dazu vor. Die Grünen sprechen von «Klimawahlen» und sehen sich in ihrem ureigenen Thema bestärkt. Die SP, von der Wählerstärke her zweitgrösste politi- sche Kraft in der Schweiz, befindet sich leicht imAufwind. Während imangrenzendenAusland die Sozialdemokraten zum Teil historische Niederlagen erfahren, etwa im deut- schen Bundesland Bayern, gewann die SP Schweiz in den Kantonen Parlamentssitze dazu. Sie vermag sich der Wäh- lerschaft als Gegenkraft zum Rechtsruck zu präsentieren, besonders seit mit der Wahl des eher rechtsfreisinnigen FDP-Bundesrats Ignazio Cassis 2017 auch die Landesregie- rung nach rechts gerückt ist. Stark nach oben zeigt die Formkurve der Grünen. Sie eroberten in Kantonsparlamenten zusätzliche Mandate und könnten im Herbst gemäss Wahlbarometer gar am National- und Ständeratswahlen 2019 Am 20. Oktober 2019 finden in der Schweiz die Parlamentswahlen statt. Die Wählerinnen und Wähler in der Schweiz und die wahlberechtigten Auslandschweizerinnen und -schweizer bestellen die beiden Parlaments kammern für die nächsten vier Jahre neu: den Nationalrat mit 200 Sitzen, den Ständerat mit 46 Sitzen. Der Nationalrat, die grosse Kammer, vertritt das Volk. Der Ständerat, die kleine Kammer, repräsentiert die Kantone. Bei den Wahlen 2015 erreichten die Parteien folgende Wählerstärken: SP 18,8 % GLP 4,6 % BDP 4,1 % SVP 29,4 % Übrige: 7,9 % GPS 7,1 % CVP 11,6 % FDP-Liberale 16,4 %
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