Schweizer Revue 2/2019

Schweizer Revue / März 2019 / Nr.2 13 Politik Vor der Stunde der Wahrheit Die Schweiz muss zügig ihre Beziehung zur Europäischen Union klären. Doch der Bundesrat will seine Haltung zum unterschriftsreifen Rahmenabkommen erst nach Diskussionen mit den wichtigsten Akteuren im Inland festlegen. Deren Vorbehalte sind gross. Der vorliegende Rahmenvertrag würde es ausländischen Firmen erleichtern, in der Schweiz Aufträge auszuführen – zum Beispiel auf hiesigen Baustellen. Entsprechend gross ist die Sorge der Gewerkschaften, dies bedrohe das heutige Lohnniveau. Foto Keystone THEODORA PETER Nach fünf Jahrenwar es imDezember 2018 endlich soweit: Die Verhandlungen zu einem institutionellen Rahmenab- kommen, mit demdie Schweiz und die Europäische Union (EU) die Fortsetzung des bilateralen Wegs regeln wollen, kamen zu einemAbschluss. Seither liegt der Entwurf eines Abkommens zur Unterschrift bereit auf dem Tisch. Doch zum Erstaunen Brüssels kam aus dem Bundeshaus keine postwendende Antwort – weder ein «Ja, bravo» noch ein «Nein, danke». Der Bundesrat nahmdas lang erwartete Ver- handlungsresultat lediglich «zur Kenntnis». Begründung: Man wolle zuerst bei den wichtigsten Akteuren den Puls fühlen, bevor sich die Regierung imFrühling eineMeinung zu den Vor- und Nachteilen des Abkommens bildenwerde. Seither führenMitglieder des Bundesrates «interaktiveDis- kussionen»mit denKantonen, den Parteien, den Sozialpart- nern, der Wirtschaft und der Wissenschaft. Klar ist: Es steht viel auf demSpiel. Die Schweiz verdient jeden dritten Franken im Rahmen ihrer Beziehungen zur EU. Auf der Grundlage der bilateralen Verträge findet täg- lich ein Warenaustausch im Umfang von einer Milliarde Franken statt. Ein offener Zugang zumEU-Markt ist für die Schweizer Wirtschaft essenziell. Das institutionelle Rah- menabkommen soll die fünf bestehenden bilateralen Ab- kommen (Personenfreizügigkeit, Landverkehr, Luftverkehr, technische Handelshemmnisse und Landwirtschaft) wei- terführen und denWeg für neue Abkommen (Strommarkt) ebnen. Die Konsultation zum Rahmenabkommen zeigt: Auf dem weiteren bilateralen Weg lauern mindestens drei Stolperfallen. 1. Der Lohnschutz Die Schweiz soll beim Lohnschutz mit wenigen Ausnah- men die Regeln der EUübernehmen. Dies hätte eine Schwä- chung der flankierenden Massnahmen gegen Lohndum- ping zur Folge. Heutemüssen sich ausländische Firmen acht Tage vorher anmelden, wenn sie in der Schweiz einen Auf- trag ausführen wollen. Dieser Protektionismus ist der EU ein Dorn im Auge, weshalb die Frist mit dem Rahmenab- kommen auf vierWerktage gesenkt werden soll. Mit dieser Konzession ist für die Schweizer Gewerkschaften und die

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