Schweizer Revue 2/2019
Schweizer Revue / März 2019 / Nr.2 14 Politik Schweizer in Grossbritannien nach Brexit geschützt Nach dem Brexit behalten Schweizer Staatsangehörige in Grossbritannien und Briten in der Schweiz ihre bisherigen Rechte. Dafür haben beide Länder mit einem bilateralen Abkommen vorgesorgt. Nebst den Aufent- haltsrechten werden darin die Ansprüche auf Sozialversicherungen und Anerkennung von beruflichen Qualifikationen geregelt. Die gewährten Rechte gelten auf Lebenszeit. Sie gelten aber nicht für britische und Schweizer Staatsangehörige, die nach dem Wegfall des Freizügigkeitsab- kommens neu zuwandern. Bei einem ungeordneten Brexit tritt das Abkommen zwischen der Schweiz und Grossbritannien bereits am 30. März vorläufig in Kraft. Im Falle eines geordneten Brexits gilt bis voraussichtlich Ende 2020 eine Übergangsphase. Während dieser kommen die bisherigen Bestimmungen des Freizügigkeitsabkommens zur Anwendung. Ende 2017 lebten rund 34 500 Schweizer im Vereinigten Königreich und rund 43 000 Briten in der Schweiz. Ebenfalls vorgesorgt haben die beiden Länder mit einem Abkommen zum Luftverkehr, um die bestehenden Verkehrsrechte zu sichern und lü- ckenlos weiterzuführen. Zwischen der Schweiz und Grossbritannien ver- kehren täglich rund 150 Flüge. (TP) Brexit-Vereinbarung: ogy.de/schweiz-brexit SP jedoch eine rote Linie überschritten worden. Sie halten an der Acht-Tage-Regel als zwingende Bedingung fest. Nur so seien Kontrollen und Sanktionen gegen Lohndumping überhaupt realisierbar. 2. Die dynamische Rechtsübernahme Mit dem Rahmenabkommen würde sich die Schweiz zu einer «dynamischen Rechtsübernahme» verpflichten. Das heisst: Führt die EUneueVorschriften ein, hätte die Schweiz jeweils zwei Jahre Zeit, diese zu übernehmen. Die direkt- demokratischen Prozesse blieben aber gewahrt: Kommt es zu einemReferendum, erhielte die Schweiz ein drittes Jahr Zeit zur Umsetzung. Will die Schweiz eine neue EU-Vor- schriftnicht übernehmen, kann Brüssel vor einemneu ein- zurichtenden Schiedsgericht dagegen klagen. Dieser Mechanismus ist stark umstritten. Die SVP sieht dadurch gar die Souveränität der Schweiz in Gefahr und warnt vor «fremden Richtern». Bei einer öffentlichen Anhörung der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrates bezeich- nete Carl Baudenbacher, ehemaliger Präsident des Efta Gerichtshofes, das Schiedsgericht gar als «Feigenblatt». Es drohe eine einseitige Abhängigkeit vom Europäischen Ge- richtshof, an dessen Auslegung sich das Schiedsgericht bei EU-Recht haltenmüsste. Andere Expertinnenwie die Euro parechtlerin Astrid Epiney bewerten die dynamische Rechtsübernahme alsweniger problematisch: Damitwerde im Gegenteil Rechtssicherheit geschaffen. Zudem erhalte die Schweiz Mitgestaltungsrechte und könne bei Bedarf auch selber das Schiedsgericht anrufen. 3. Die Unionsbürgerrichtlinie Im Entwurf zum Rahmenabkommen ist die sogenannte Unionsbürgerrichtlinie zwar nicht erwähnt. Siewurde aber auch nicht explizit ausgeklammert, wie dies die Schweiz in denVerhandlungen gewünscht hatte. Die Frage einer Über- nahme dieser Richtlinie könnte somit ein erster Fall für das Schiedsgericht werden. Mit der Unionsbürgerrichtlinie sichern sich die EU-Mitgliedsstaaten seit 2004 gegenseitig Bürgerrechte zu. Diese gehen weiter als die Personenfrei- zügigkeit, welche die Schweiz mit der EU vereinbart hat – etwa beim Anspruch auf Sozialhilfe, dem Recht auf dauer- haften Aufenthalt oder beim Schutz vor Ausschaffung. Darin sehen sowohl FDP wie CVP einen Stolperstein und fordern, die Unionsbürgerrichtlinie müsse ausdrücklich vom Anwendungsbereich des Rahmenabkommens aus geklammert werden. Völlig vorbehaltlos hinter dem ausgehandelten Rah- menabkommen steht somit keine der Bundesratsparteien. Auch die Zustimmung des Wirtschaftsdachverbandes Economiesuisse ist eher als «Ja, aber» zu verstehen. Zwar überwiegen für die Schweizer Wirtschaft die Vorteile des Marktzugangs klar. Trotzdem verlangt Economiesuisse «Klärungen» zur Auslegung des Rahmenabkommens, un- ter anderem zur Übernahme der Unionsbürgerrichtlinie sowie zur Sozialpartnerschaft. Zu Letzterer soll klargestellt werden, dass das Systemparitätischer Kontrollen nicht ein- geschränkt wird. Nachverhandlungen fordert der Wirtschaftsdachver- band nicht, denn solche hat die EU bislang ausdrücklich ausgeschlossen. Ob die Türen in Brüssel tatsächlich so ge- schlossen bleiben, wie es den Anschein macht, ist fraglich. Gemäss politischen Beobachtern könnte die Strategie des Bundesrates aufgehen, mit der innenpolitischen Konsul tation Zeit zu gewinnen und doch noch Nachbesserungen zu erwirken. Die EU habe sich in heiklen Situationen im- mer wieder flexibel gezeigt und Ausnahmeregelungen für einzelne Staaten gewährt – dies könne auch im Umgang mit einem wohlgesinnten Nichtmitgliedsland erwartet werden. THEODORA PETER IST FREIE JOURNALISTIN IN BERN Der Artikel deckt den Stand bei Redaktionsschluss von Mitte Februar 2019 ab. Das Rahmenabkommen in Kürze: ogy.de/eu-deal
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