Schweizer Revue 2/2019

Schweizer Revue / März 2019 / Nr.2 15 Politik JÜRG MÜLLER Wenn es um Waffen geht, tritt in der Schweiz rasch der Ernstfall ein – und auch der erste Schütze des Landes ist dann nicht mehr weit: Wilhelm Tell. Derzeit ist er wieder imEinsatz, zumBeispiel auf der Homepage von Pro Tell, der Gesellschaft für ein freiheitliches Waffenrecht, wo er die rechte Hand zumStoppsignal hebt: «Freiheitliche Schweiz, EU-Entwaffnungsdiktat? Nein, nie, unter keinen Umstän- den!». Wilhelm Tell kämpft nicht allein. Auch René Schnei- der hilft mit. Er ist ein intimer Kenner des Schiesswesens, Ehrenpräsident der Militärschützen Unterseen, Ehrenmit- glied des Berner Oberländischen Schützenverbandes und Ehrenmitglied des Berner Schiesssportverbandes. Zur «Schweizer Revue» sagt Schneider: «Wir sind ein demokra- tisches Volk und bestimmen selbst, waswirwollen undwas nicht. Wir dürfen es absolut nicht zulassen, dass das sport- liche Schiessen als grosse Schweizer Tradition durch die EU-Waffenrichtlinie kaputt gemacht wird.» Die EU-Waffen- richtlinie: Sie steht unter massivem Beschuss der Schwei- zer Schützen. chen Sicherheitsverbund gehört, muss sie die neuen Be- stimmungen ins nationaleWaffenrecht überführen. Dage- genwehren sich die Schützenverbände, unterstützt von der SVP. Sie haben das Referendum ergriffen. Es geht um halbautomatische Waffen Verbotenwerden halbautomatischeWaffenmit grosserMa- gazinkapazität. Das sind Gewehre, Revolver und Pistolen, mit denen man mehrere Schüsse nacheinander abfeuern kann; man muss zwar immer noch jeden Schuss einzeln auslösen, aber nicht nachladen. Das Problem: Zu diesen halbautomatischen Waffen gehören ausgerechnet die Sturmgewehre 90 und 57, die bei den Schweizer Schützen sehr verbreitet sind. Die Schweiz hat allerdings mit der EU Ausnahmeregelungen ausgehandelt: Armeewaffen dürfen weiterhin auch nach Beendigung des Militärdienstes über- nommen und verwendet werden. Die EU ist der Schweiz weit entgegengekommen, denn diese Regelung gilt exklu- siv für die Eidgenossenschaft. Deshalb sprichtmanmanch- mal auch von einer «Lex Helvetica». Auch wer durch einen früheren Kauf bereits im Besitz einer solchenWaffe ist, muss nichts tun. Siemuss allerdings in einem kantonalen Waffenregister verzeichnet sein. Wenn das nicht der Fall ist, muss man das innerhalb von drei Jahren nachholen. Sportschützen können diesenWaf- fentyp auch weiterhin erwerben. Sie müssen jedoch Mit- glied in einem Schützenverein sein oder nachweisen, dass sie dieWaffe regelmässig für sportliche Zwecke verwenden. Als regelmässig verstehen die Behörden fünf Schiessen in- nerhalb von fünf Jahren. Dochwas stört die Schützen an diesenRegelungen kon- kret? René Schneider, der Ehrenpräsident derMilitärschüt- zen Unterseen, sagt: «Wir wären nicht mehr Besitzer einer Waffe, sondern nur nochHalter von verbotenenWaffenmit besonderen Auflagen und vom Staat geduldet! Unseren Schiesssport würdenwirmit ‹verbotenenWaffen› ausüben. Der Erwerb einer Waffe wäre nur mit einer Ausnahmebe- willigung möglich. Diese Ausnahmebewilligung geht viel weiter als der heute geforderte Waffenerwerbsschein und würde zu einer massiven Abnahme von Schützinnen und Schützen führen.» Schneider findet es zudem als «absolut unlogisch», dass eine aus der Armee übernommene Waffe nicht als verboten gelten soll, hingegen eine privat erwor- Generalmobilmachung der Schützen Die Schweiz muss das Waffenrecht EU-Vorgaben anpassen, wenn es die Schengen-Verträge nicht gefährden will. Die Schützen schiessen scharf gegen die Vorlage. Sie kommt am 19. Mai vors Volk. Der Urgrund der Debatte geht auf die Terroranschläge von Paris im Jahr 2015 zurück; damals wurden 130 Menschen mit halbautomatischen Waffen getötet. Wenig später hat die EU ihr Waffenrecht verschärft. Da die Schweiz zum Schengen-Raum und damit zum europäischen polizeili- Verschärftes Waffenrecht: Für die Schützen ein Angriff aufs Schweizer Schiesswesen. Foto Keystone

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