Schweizer Revue 2/2019

Schweizer Revue / März 2019 / Nr.2 17 Literaturserie Vorbild des Nordlandschweizers, der seine Bücher auch immer wieder selbst illustriert hat, ist unverkennbar Knut Hamsun. Bloss dass ihmbei aller Anschaulichkeit der Land­ schaftsbilder, bei aller psychologischen Feinheit der Figu­ ren und allem Humor jenes Abgründige, Pessimistische fehlt, wie der Norweger es etwa in «Hunger» evoziert hat. Obwohl der Einbruch der Zivilisation oder das Auftreten von Spekulation und Gewinnsucht den Frieden der ein­ samen Dörfer und Höfe zu gefährden vermögen: Letztlich stellt sich die Ordnung wieder ein und überwiegt der Opti­ mismus desDichters, für den, wie es inder «GoldenenWoge» heisst, «etwas imMenschen ist, was die Flut nicht zerstören kann, was auch der Sumpf mit seinem Fieber nicht zerstö­ renkann: das Grosse undEwige, was ihnüber alleDinge als Herrn setzt.» Keine Figur dokumentiert das besser als das stille Knechtlein Monrad in «Tyra, die Märcheninsel», in dem es plötzlich zu singen und zu klingen anfängt unddas sich eines Tages selbst eine Geige baut und die Einsamkeit seines Herzensmit Tönen zu füllen beginnt. Die Bü­ cher von Karl Friedrich Kurz sind heute nur noch antiquarisch oder als E-Books aufzutreiben. Dies, ob­ wohl er seinen Landsleuten nicht nur Japan, sondern auch seine Wahlheimat Norwegen auf span­ nende, nach wie vor lesenswerte Weise nahebrachte. CHARLES LINSMAYER Ebenso verführerisch wie fremd kommt Kohana, die «kleine Frau Schmetterling», dem jungen Mann vor, als er um 1906/07 in Yokohama einige Zeit mit ihr zusammen­ lebt. Und ähnlichwie 60 Jahre später Yoko inAdolfMuschgs «Sommer des Hasen» dem Schweizer Buser bringt das Tee­ mädchen dem Europäer die japanische Mentalität, die Sit­ ten und Gebräuche in seiner scheuen Zuwendung näher, als es touristische Erlebnisse tun könnten. Kohana ist eine Figur aus dem Buch «Vom Nil zum Fujiyama», das 1910 bei Huber in Frauenfeld erschien. Verfasser ist der 1878 gebo­ rene, in Basel aufgewachsene Karl FriedrichKurz. Der Sohn eines deutschenWichsefabrikanten etablierte sichwie sein Bruder Hermann (1880–1933) nach dem Besuch der Karls­ ruher Kunstakademie als Schriftsteller und fand seine Stoffe bei Reisen und Aufenthalten in allerWelt. Japanwar auch der Schauplatz von «Doktor Siegels Ostasienfahrt» (1911) und von «Sayonara» (1937). Von 1916 bis 1922war Kurz Redaktor beim Berner «Bund», und damit hing es zusam­ men, dass von seinen insgesamt 29 Büchern immerhin drei in der Schweiz spielen: «Die Krummbacher und der Katzen­ gusti» (1913), «Zwischen Aare und Rhone» (1920) und «Der Mooshof» (1922). Schon 1914 hatten zwei Bücher – «Der Held von Björnnäs» und «Mitternachtssonne und Nordlicht» – Norwegen zumSchauplatz, und zusammenmit seinenZeit­ genossen Hermann Hiltbrunner und Hugo Marti wurde Kurz, der von 1924 bis zu seinem Tod im Jahre 1962 dauer­ haft in dem Land lebte, zu einem jener Schweizer, die sich durch Norwegen, seine Fjorde und seine Wälder immer wieder neu inspirieren liessen. Liebe, Geld und Verrat So stellte der Roman «Die goldene Woge» 1927 dar, was die Kriegsgewinne in dem neutralen Land nach 1914 an Uner­ freulichemmit sich brachten, und liess Kurz in «Das König­ reich Mjelvik» 1930 die Städterin Oline das Fischerdorf Mjelvik und dessen jungeMänner auf unterhaltsameWeise verwirren. «Tyra, dieMärcheninsel» ist ein lebendiger Bau­ ern- und Fischerromanmit vielen originellen Figuren, der 1934 mit denWilhelm-Raabe-Preis erhielt, und «Herrn Er­ lings Magd» von 1936 schildert die heimliche Liaison eines Bauern mit seiner Magd, die ihm am Ende einen Stamm­ halter schenkt. Japanische Teemädchen und norwegische Bauern Der zeitweilige «Bund»-Redaktor Karl Friedrich Kurz war als Erzähler ein faszinierender Vermittler fremder Welten und Kulturen. «Durch die Bücher hab’ ich vielleicht etwas früher einsehen gelernt, dass es noch andere Dinge gibt, als nur Arbeit und Geld», sagte Johannes. «Wir führen ein Leben wie Karren­ pferde, die tagaus, tagein vor- wärts gepeitscht werden. Ziehen – immer ziehen; mit allen Kräf- ten immer ziehen, stumpf, gleichmässig, ruhelos … Ich scheue nicht die Arbeit. Aber zu viel Arbeit macht den Menschen zum Lasttier!» BIBLIOGRAFIE: K. F. Kurz: «Die Fischer am Fjord». Schweizer Druck- und Verlagshaus, Zürich, 1941. Als E-Book erhältlich. CHARLES LINSMAYER IST LITERATURWISSEN- SCHAFTLER UND JOURNALIST IN ZÜRICH

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