Schweizer Revue 2/2019

Schweizer Revue / März 2019 / Nr.2 20 Gesellschaft THEODORA PETER «Dem Journalismus fehlt es massiv an Geld.» Diese alar­ mierende Feststellung illustriertManuel Puppis, Professor für Mediensysteme an der Universität Freiburg, mit ein­ drücklichen Zahlen. Noch vor 20 Jahren spülten Inserate und Stellenanzeigen den Zeitungsverlagen jährlich rund 1,7Milliarden Franken in die Kassen. DieDruckmaschinen liefen auf Hochtouren. Mit demAnbruch des digitalenZeit­ alters wanderten die Anzeigen zunehmend ins Internet. 2018 nahmen die Kaufzeitungen in der Schweiz laut Pup­ pis nur noch rund 500Millionen Franken durchWerbung ein. DenAusfall imPrint konntendie Verleger nur zu einem kleinen Teil mit Werbung auf ihren Onlineportalen kom­ pensieren. Das grosse Geld fliesst in die Kassen von Inter­ net-Gigantenwie Google und Facebook. Von den insgesamt 2,1 Milliarden Franken, die 2017 in der Schweiz für Online­ werbung umgesetzt wurden, gingen gar 1,4 Milliarden an Suchmaschinen. Nur 265 Millionen Franken flossen in so­ genannte Display-Werbung auf Webseiten und Apps, und davon profitieren journalistische Anbieter nur zum Teil. Eine Redaktion, mehrere Titel Auf den dramatischen Einbruch der Werbeeinnahmen im Print reagierten die Schweizer Medienhäuser in den letz­ ten Jahrenmit Konzentrationen und Zusammenlegungen von Redaktionen oder gar der Schliessung traditionsrei­ cher Titel wie zuletzt «LeMatin» in derWestschweiz (siehe Zweittext zur Romandie). Dabei gingennicht nur Hunderte von Stellen, sondern auch publizistische Meinungsvielfalt verloren. Natürlich sei es für die Verlage kostengünstiger, alle überregionalen Inhalte in einemMantel herzustellen, sagt Puppis. «Doch die Vielfalt wird eingeschränkt, wenn nur noch wenige Player für eine nationale Berichterstattung sorgen.» So beliefert die Zentralredaktion der Zürcher Ta­ media inzwischen 13 Tageszeitungen im Dreieck Zü­ rich-Basel-Bernmit der Berichterstattung aus denRessorts Inland, Ausland, Wirtschaft, Kultur und Sport. CHMedia wiederum, ein Joint Venture von AZMedien und den NZZ-Regionalzeitungen, versorgt mit einer Zen­ tralredaktion in Aarau bald 19 Tageszeitungen mit der überregionalen Berichterstattung – darunter «Luzerner Zeitung» und «St. Galler Tagblatt». Als eigenständige natio­ nale Stimmen im Medienkanon verbleiben noch «Blick» (Ringier), «Neue Zürcher Zeitung» sowie die elektronischen SRG-Medien. Regionale Sichtweise geht verloren Zwar gibt es durch die regionalen Splitausgaben immer noch eine grosse Zahl an Zeitungstiteln. Dies täuscht aber gemäss Puppis darüber hinweg, dass es «kaum mehr eine regionale Sichtweise auf nationale Ereignisse gibt». In der föderalen Schweiz mit der direkten Demokratie auf natio­ naler, kantonaler und kommunaler Ebene wäre aber wich­ tig, «dass alle Lokalräume abgedeckt werden.» In einigen Regionen springen lokale Anbieter in die Bresche –wie zum Beispiel das Onlinemagazin «Zentralplus», das aus denKan­ tonen Luzern und Zug berichtet. Auf nationaler Ebene trat 2018 die «Republik» als neues Onlinemedium auf den Plan – werbefrei und leserfinan­ ziert. Nachdem sich innert Rekordzeit über 13000 Perso­ nen bereit erklärt hatten, das Produkt als «Mitverlegerin» bereits vor Erscheinen mit einem Abonnement zu unter­ stützen, folgt in den kommenden Jahren die Bewährungs­ probe. Längerfristig braucht die «Republik» 28000 Abon­ nenten respektive Verlegerinnen, um eine ausgeglichene Rechnung zu erreichen. Sowohl die deutschsprachige Journalismus in der Finanzklemme Wie im Ausland stecken auch die Medien in der Schweiz in einer Finanzierungskrise. Dies hat Auswirkungen auf die Vielfalt der Inhalte – und befeuert den Ruf nach staatlicher Förderung. Likes statt News Das Interesse junger Menschen an klassischen Informationsangeboten ist in den letzten zehn Jahren stark gesunken. Gemäss einer Umfrage des Forschungsinstitutes Öffentlichkeit und Gesellschaft (Fög) zählen inzwi- schen 53 Prozent der 16- bis 29-Jährigen in der Schweiz zu den sogenann- ten «News-Deprivierten». Diese konsumieren vorwiegend Unterhaltungs- angebote und verfolgen News nur sporadisch. 2009 hatte dieser Anteil erst bei 32 Prozent gelegen. Bezogen auf die gesamte Schweizer Bevölkerung zählt inzwischen jeder Dritte (36 Prozent) zu den «Verweigerern» klassi- scher News. Von 16 auf 23 Prozent zugenommen hat der Anteil der sogenannten Global Surfer an der Gesamtbevölkerung. Diese Gruppe abonniert eben- falls keine Bezahlangebote und liest Onlinenews vor allem bei internatio- nalen Anbietern. Insgesamt ist laut den Forschern der Medienkonsum zwar gewachsen, doch davon profitieren vor allem die global tätigen Tech- nologie-Konzerne mit ihren Kommunikationsplattformen. (TP) Manuel Puppis: «Es gibt kaum mehr eine regionale Sicht- weise auf nationale Ereignisse.» Foto zvg

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