Schweizer Revue 3/2019
Schweizer Revue / Mai 2019 / Nr.3 16 Sport beim Bouldern – dem Klettern ohne Sicherung – fällt, den fangen dicke Matten auf. Das Wilde, Unberechenbare, Abenteuerliche, das Klettern in den Alpen bereithält, fehlt in der Halle gänzlich. Passiert etwas, haftet in vielen Fällen der Hallenbetreiber dafür. Das Interesse der Hallenbetrei- ber ist deshalb gross, die Risikenmöglichst klein zu halten. Übernutzte Felswände Doch der boomende Gipfelsturman denHallenwänden hat Folgen: «Wer dann doch draussen klettern will, geht von denhohen Sicherheitsstandards in der Kletterhalle aus. Die ‹Vollkaskomentalität› wird dann auf den Fels übertragen», sagt Tim Marklowski, Projektleiter Bergsport bei der Alpenschutzorganisation Mountain Wilderness. Sichtbar sei dies in verschiedenen Klettergebieten der Schweiz, in denen viele Routen mit Bohrhaken als Sicherungsmittel versehen seien – auch in hochalpinen Regionen. Gut zu- gängliche, nicht eingerichtete Routen seien selten gewor- den, so Marklowski. Die Absicherung mit Bohrhaken er- möglicht einsicheresKlettern für jedermann. Entsprechend häufig würden solche Routen begangen. Dies führe teil- weise zu stark abgenutztem Fels. Durch diese «Überer- schliessung der Alpen» gehe etwas verloren, findet Marklowski: «Die Freude an ursprünglicher Natur und an der Eigenverantwortung.»MountainWilderness setzt sich deshalb dafür ein, dass es weiterhin bohrhakenfreie Rou- ten gibt, «die Eigenverantwortung erfordern» und eine ursprünglichere Spielart des Kletterns ermöglichen. Marklowski: «In England, den USA und Italien gibt es Klet- tergebiete, in denen Bohrhaken noch ein Tabu sind.» Mehr Anerkennung für die Spitze Der anhaltende Sportkletterboomverändert dieWahrneh- mung der Athletinnen und Athleten. So ist Spitzenklette- rin Petra Klingler heute nicht mehr die unbekannte Sport- lerin von einst. IhrenWM-Titel imBouldern hat sie 2016 in Paris vor 10000 Zuschauerinnen und Zuschauern geholt. DieserWM-Titel und die Aufnahme des Sportkletterns ins olympische Programm hat der 27-Jährigen geholfen, neue Sponsorenverträge abzuschliessen. «Ich kannmir heutemit dem Klettern ein bescheidenes Leben finanzieren. Eine Familie ernähren könnte ich aber nicht», sagt Klingler, die letztes Jahr ihr Studium in Psychologie und Sportwissen- schaften abgeschlossen hat. Noch sei das «ökonomische Potenzial» des Sportkletterns aber nicht ausgeschöpft, ver- mutet Klingler. Gut möglich, dass sich dies dank Tokio 2020 ändern wird. Swiss Olympic zumindest findet, Sportklettern re- präsentiere die Schweiz in ihrer Vielfältigkeit besonders gut: «Sportklettern verbindet den alpinen und den urbanen Lebensstil», sagt Swiss-Olympic-Mediensprecher Alexan- derWäfler. Swiss Olympic erhoffe sich deshalb, «dass diese Verbindung auch an denOlympischen Spielen zur Geltung kommt und sich entsprechend vieleMenschen für dieWett- kämpfe in Tokio interessieren». Für viele Kinder ist Klettern der reine Indoor-Sport. Nicht für sie: Janik Spindler und Delia Büchel klettern hier am Rot- steini bei Meiringen. Foto Silvan Schüpbach, SAC Indoor statt outdoor, Kunststoff statt Fels: Der Klettersport hat sich in den letzten zwanzig Jahren stark gewandelt. Foto Danielle Liniger
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