Schweizer Revue 3/2019
Schweizer Revue / Mai 2019 / Nr.3 21 wickelt wird. Léo begann seinen Einsatz bei Tremplin im Oktober 2017 und leistete 313 Diensttage. Es bleiben noch ungefähr 40 Tage bis zum Ende der Dienstzeit. Die längere Dauer des Zivildienstes wird im Allgemei- nen als Druck und das Aufnahmeprozedere als Hindernis empfunden, aber die Zivildienstleistenden sprechen abge- sehen von ihrem persönlichen Interesse an ihren Einsät- zen von zahlreichenVorteilen gegenüber demMilitärdienst. Der erste ist die Möglichkeit, abends nach Hause zurück- zukehren. Der zweite betrifft die Spesen, die bei solchen Einsätzen zusätzlich zu den Beträgen aus der Erwerbsaus- fallversicherung ausbezahlt werden. Léo bekamvon Trem- plin fast 500 Franken zusätzlich und damit total 2300 Franken pro Monat. Besser als in der Armee. Ein weiterer Vorteil sind die Arbeitszeugnisse. «Ich konntemeine Erfah- rung durch die NGO, bei der ich meinen Zivildienst geleis- tet hatte, bestätigen lassen», erzählt Milan. Dies wäre beim Militärdienst nicht möglich gewesen, auch wenn dieser in bestimmten Fällen Türen öffnen kann. Der Bundesrat will beim Zivildienst bremsen Der Zivildienst befriedigt Bedürfnisse im Sozial- und Ge- sundheitsbereich sowie in der Bildung und überzeugt immer mehr junge Menschen. Zwischen 2010 und 2017 haben sich dieDiensttage beimZivildienst von 878000 auf «La preuve de l’existence de Dieu», eine Hommage an die Pioniere des Zivildienstes Es ist die bemerkenswerte Geschichte einer Gruppe junger Protestler, die ei- nen Schweizer Zivildienst forderten und deshalb ihre Waffen und Unifor- menvor demBundeshaus deponierten sowie ihr Dienstbüchlein von Frauen zerreissen liessen. Daswar ihreAktion, die am 22. April 1971 in Bern stattfand. Die Episode wurde zum Ausgangs- punkt für denFilm«La preuvede l’exis- tence deDieu» des Genfers FredBaillif. Der Filmwurde am 14. März 2019 am Festival dufilmet foruminternational sur les droits humains de Genève vor- geführt. Der fingierteDokumentarfilm behandelt FragendesAktivismus, aber auch des «Status der Senioren in unse- rer Gesellschaft, die aus derselben aus- geschlossen werden, sobald sie in den Ruhestand gehen», erklärt Baillif. «La preuve de l’existence de Dieu» wird von Teilnehmern der Protestak- tion von 1971 sowie von den gestande- nen Schauspielern Jean-Luc Bideau und Irène Jacob gespielt. Im Film pro- testieren sechs ältere Aktivisten gegen Waffenexporte und schlagen denWeg des Terrorismus ein, als sie eine Waf- fenfabrik sprengen. In der Realität führte die Aktion in Bern zu Strafen von bis zu viereinhalb Monaten Haft, erzählt Alain Simonin, einer der Pro- tagonisten dieses Epos. An der Operation der Genferinnen und Genfer nahmen 22 Männer und acht Frauen teil. Sie wurde unter Mit- hilfe zweier Genfer Anwälte und zu- künftiger Regierungsräte vorbereitet: ChristianGrobet und BernardZiegler. Ihr Ziel: die Planung eines Delikts, das Strafurteile nach sich ziehenwird, im Fall der Frauen den Tatbestand der Verschleuderung von Material. Letztendlich erreichte die Genfer Gruppe, die auch einen Theologen und einen Garagisten umfasste, ihr Ziel nicht. Sie wollten eine Kollektiv- bestrafung und damit einen politi- schen Prozess erreichen, aber sie wurden einzeln verurteilt und die Frauen wurden freigesprochen. Die Gruppe erhielt eine vom Bundesrat unterzeichnete Antwort, an die ein 400-seitiges Manifest über den Zivil- dienst angehängt war. «Unser Enga gement leistete einen Beitrag zur Bil- dung eines Zivildienstes», ist Michel Sermet, der seine Strafe in Genf ab- sass, überzeugt. Ausgehend von der Genfer Akti- vistengruppe und ihrer Forderung für einen Dienst an der Öffentlichkeit, fasste die Bewegung für einen Zivil- dienst auch in anderen Westschwei- zer Kantonen Fuss und gewann die Unterstützung von Intellektuellen beiderseits der Saane. «Wir haben für unsere Aktion bezahlt, und unsere Verurteilung stärkte unsere Glaub- würdigkeit», freut sich Alain Simonin rückblickend. (SH) Michel Sermet Foto fresh prod Alain Simonin Foto fresh prod
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