Schweizer Revue 4/2019
Schweizer Revue / Juli 2019 / Nr.4 19 sei Fan der Digitalisierung, doch hier gehe es um das wert- vollste Gut, die Demokratie. Da könne die Schweiz nicht vorsichtig genug sein: «E-Voting ist ein nie dagewesenes Sicherheits- und Vertrauensrisiko für unsere direkte De- mokratie.» Umdie politische Teilhabe der Fünften Schweiz zu stärken, rät Rimoldi zu Lösungen wie dem dezentralen Abstimmen auf den Botschaften. Oder demelektronischen Versand der Abstimmungsunterlagen, wie der Mitinitiant und SVP-Nationalrat Claudio Zanetti (ZH) fordert. «E-Versand» statt E-Voting? Zanetti ist vehementer Gegner des E-Votings und gleichzei- tig ASO-Vorstandsmitglied. Er anerkennt: «Für viele Aus- landschweizer stellen unzulängliche Postdienstleistungen in denWohnsitzländern eineHürde bei derWahrnehmung ihres Stimm- und Wahlrechts dar.» Mit dem «E-Versand» könnte der Postweg laut Zanetti mindestens in eine Rich- tung umgangen werden. Grundsätzlich fürs E-Voting ist hingegen die freisinnigeNationalrätinDoris Fiala (ZH). Für die im Ausland wohnenden Stimmberechtigten «wäre E-Voting eine enorme Verbesserung und Erleichterung», sagt Fiala, die in der parlamentarischen Gruppe Ausland- schweizer mitmacht. Für Fiala ist es nur konsequent, «die Demokratie ins 21. Jahrhundert zu überführen». Die Bevölkerung nutze digitale Dienste immer mehr im Alltag. Beim E-Voting stünden die Entwickler allerdings vor den komplexesten IT-Problemen: «Auf der einen Seite muss jede Stimme rich- tig gezählt werden, auf der anderen Seite das Stimmge- heimnis gewahrt bleiben.» Die im System der Post erkann- ten Mängel findet die Nationalrätin «erheblich». Auch sie riet, mit der Gesetzesrevision zu pausieren: «Es geht um Vertrauen.» Mehr als nur Technik Was auffällt: Die Positionen pro und kontra E-Voting sind nicht vom Alter oder der Einstellung zur Digitalisierung geprägt. Unter den Gegnern finden sich viele IT-Kenner. Auch das übliche Links-rechts-Schema spielt keine Rolle. Das habe mit der Dimension des Themas zu tun, erklärt Beobachterin Adrienne Fichter, Techjournalistin beim Online-Magazin «Republik»: «Am Beispiel des E-Votings wird zum ersten Mal politisch über digitale Technologie geredet.» Auchwenn ähnliche Argumentewie bei der Brief- wahl vorgebracht würden, gehe es beim E-Voting um viel mehr: «Ein Insider kann unbemerkt Zehntausende Stim- men manipulieren.» Das habe der Sicherheitstest beim Post-System gezeigt. Fichter, Herausgeberin des Buches «Smartphone-Demokratie», begrüsst die entstandene Debatte als Anfang eines «aufklärerischenDiskurses» über Chancen und Risiken der digitalen Demokratie. Dafür sei es höchste Zeit, andere Länder sollten sich an der Schweiz ein Beispiel nehmen. E-Voting ist nicht gestoppt, aber gebremst. Die Ausland- schweizer-Organisation ASO reagierte Ende Juni «konster- niert» auf die neue Entwicklung. Den Auslandschweizern würden faktisch ihre politischen Rechte verwehrt, kriti- sierte die ASO in einer Medienmitteilung. Online wählen? Am 20. Oktober finden in der Schweiz die National- und Ständerats wahlen statt. Ob die Kantone dabei die elektronische Stimmabgabe anbieten dürfen, war bei Redaktionsschluss der «Schweizer Revue» noch offen. Der Bundesrat entscheidet im August. Für die Wahlen mussten die Kantone separate Gesuche einreichen. Die Bewilligung, die sie für den E-VotingVersuchsbetrieb bei Abstimmungen besitzen, gilt nicht automatisch. Bei den letzten nationalen Wahlen 2015 war es in vier Kantonen möglich, per Internet zu wählen. (SWE) Externe Expertinnen und Experten ent deckten beim E-Voting-System der Post Mängel. Foto Keystone
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