Schweizer Revue 4/2019

Schweizer Revue / Juli 2019 / Nr.4 21 Köppel (ZH) kürzlich denMedien. Er findet, «dass dasWahl­ geheimnis in der Schweiz lebenswichtig für den Rechts­ staat und die Demokratie ist.» Transparenz führt wohl zu weniger Spenden Welches Problem stellt fehlende Transparenz denn über­ haupt dar? Die von der «Schweizer Revue» befragten Poli­ tologen weisen zuerst auf eine ethische Frage hin. «Es gibt bereits eine grundlegende Ungleichheit, denn die Einfluss­ macht der Interessengruppen ist sehr unterschiedlich. Es wäre deshalb nicht mehr als normal, wenn die Öffentlich­ keit wüsste, wer wen finanziert», sagt Georg Lutz. Laut die­ sem Forscher hätte Transparenz möglicherweise eine Ver­ änderung des Verhaltens der Grossspender zur Folge. Davor fürchte sich besonders die Rechte. Transparenz würde je­ doch zumindest die politischenAbsichten sichtbarmachen: «Denn wenn juristische Personen in Kampagnen investie­ ren, ist es wohl deshalb, weil sie etwas zurückerwarten.» «Wenn der Chef vonRicola in eine Kampagne investiert, will er nicht, dass seine Marke mit einer Partei in Verbin­ dung gebracht wird, denn er möchte an alle verkaufen», stellt sichAndreas Ladner vor, für den dieQuellen der gros­ sen Spenden ein offenes Geheimnis sind. Allerdings: Geld ist keine Garantie für den Erfolg einer Kampagne. Das Geheimnis derMacht liegt vielmehr in der Fähigkeit zumobilisieren, Mehrheiten zu finden. Laut einer Studie des Instituts Sotomo gab die SVP im Jahr 2011 gut sechsmal so viel pro Parlamentssitz aus wie die Grünlibe­ ralen. Aber es waren die Grünliberalen, die zu den grossen Gewinnern der Wahlen 2011 gehörten. Mehr Transparenz würde womöglich zu weniger Spenden führen. Fürmanche liegt die Lösung des Problems deshalb in einem Wechsel zu einem staatlichen Parteifi­ nanzierungssystem. «Diese Idee kommt bei der Rechten aber nicht gut an», kommentiert Andreas Ladner, «denn sie zöge für die Finanzierung letztlich Steuererhöhungennach sich. Die Linkewürde diese befürworten, dieWählerschaft jedoch nicht unbedingt.» Ladner verweist zudem auf die Transparenzgesetze in Genf und im Tessin: In beiden Kan­ tonen könne er keine Beruhigung in der Politik feststellen. Stattdessen blühten dort gut finanzierte populistische Par­ teien auf. Ungleichheit zwischen den Parteien Politologe Ladner sagt, der Wunsch nach mehr Klarheit komme in erster Linie von der Schweizer Linken; und auf europäischer Ebene von einer Koalition aus Parteien, denen üblicherweiseweniger Ressourcen zur Verfügung stünden. Ladners Überlegungen: «Gibt es in der Schweiz mehr Kor­ ruption? Und gibt es in Ländern mit einem staatlichen Finanzierungssystemwie Frankreich undDeutschlandwe­ niger? Wenn es ein Problem gibt, dann vielmehr dieses, dass eine ungleiche Ressourcenverteilung Ungerechtigkei­ ten schafft, dennGeld bewirkt in einemgewissen Sinn, dass die Argumente einer Partei mitmehrMitteln besser gehört werden als die der anderen.» Was also tun? Er vermutet, «dass die Transparenz als politisches Argument in Kampa­ gnen funktionieren könnte». Davon könnten jene Parteien profitieren, die auf diese Karte setzen. Ladner plädiert des­ halb für eine praktische und logistische Unterstützung für Kleinparteien, «damit sie sich besser Gehör verschaffen können». Immer teurere Wahlen? Die kommenden Wahlen werden alle Kostenrekorde schlagen. «Diese Ankündigung wiederholt sich jedes Mal, es gibt darüber jedoch keine ge­ nauen Daten und die Angaben zu den Kosten hängen zudem von der Er­ hebungsmethode ab», sagt Andreas Ladner. Fürs Jahr 2018 schätzte die Agentur Media Focus die Werbekosten für die nationale politische Kampa­ gnen auf 55,5 Millionen Franken, ein markanter Zuwachs gegenüber 2017. Zuvor, im Wahljahr 2015, stellte die Schweizer Wahlstudie «Selects» den Kandidaten die Frage nach ihren Ausgaben für den Wahlkampf. Die Antwort: insgesamt 29 Millionen Franken. Am meisten gab die FDP aus, gefolgt von CVP, SVP und SP. Die Ausgaben der nationalen, kantonalen und lokalen Parteien und der Vereine dürften diese Zahl verdoppelt haben. Ein weiteres Beispiel: 2015 betrugen die von den Steuern abgezogenen privaten Partei­ spenden in Genf fast 2,5 Millionen Franken (und schweizweit 50 Millionen). Sie wurden von 3200 Spendern in einem Kanton getätigt, der Spenden auf 10 000 Franken begrenzt. Was sich aus diesen Zahlen auch folgern lässt: Die Ausgaben pro Wählerin oder Wähler sind mit denen in den Vereinigten Staaten vergleichbar. (SH) Die SVP hat 2015 den teuersten Wahlkampf aller Parteien geführt: 10,6 Millionen Franken investierte sie in Print-, Internet- und Plakatwerbung. Im Gegensatz zur FDP, die ihre Werbeausgaben erhöhte, gab die SVP im Vergleich zu 2011 allerdings fast 2 Millionen weniger aus und konnte bei den Wähleranteilen (+2,8%) dennoch mehr zulegen als die Freisinnigen. National- und Ständeratswahlen 2011 und 2015: Gesamtausgaben der Parteien für Print-, Internet- und Plakatwerbung Grüne 2011 2015 5 Mio. 10 Mio. BDP GLP SP CVP FDP SVP

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