Schweizer Revue 5/2019
Schweizer Revue / September 2019 / Nr.5 14 Gesellschaft Ein Zug des Léman Express fährt in den neuen Bahnhof Lancy Pont-Rouge ein, eine der drei neuen Halte- stellen dieser Genfer S-Bahn. Foto Keystone STÉPHANE HERZOG Genf ist eine internationale Stadt. Sie schafft viele Arbeits- plätze, hat sich dabei aber über ihr Hinterland – dieWaadt und das benachbarte Frankreich – bisher wenig Gedanken gemacht. Das mangelnde Interesse am Umland erreichte 2014 einen traurigen Höhepunkt: Unter dem Einfluss der rechtspopulistischen Partei Mouvement citoyens genevois (MCG) weigerten sich die Genfer, sich an der Finanzierung von Parkplätzen an der französischen Peripherie zu betei- ligen. Sie sollten der Stadt Entlastung vom motorisierten Verkehr bringen. Gegenwärtig passieren täglich 630000 Fahrzeuge die Grenze. Pont-Rouge und Eaux-Vives. Beide befinden sich im Her- zen eines neuen Quartiers mit öffentlichen Infrastruktu- ren und Unternehmen. Schutz des neu gewonnenen verkehrsfreien Raums Welches Ziel verfolgt Genfmit demgigantischenVorhaben, das 1,6 Milliarden Franken kosten wird? Es soll den moto- risierten Verkehr in der Stadt verringern, in der bereits heute 42 Prozent aller Bewohner ohne Auto leben. Mit der Inbetriebnahme des Léman Express könnte der Verkehr um 12 Prozent reduziert werden. Dies wäre eine enorme Léman Express: Mobilität über Grenzen hinweg Im Dezember nimmt das Hochgeschwindigkeitsbahnnetz im Raum Genf seinen Betrieb auf. Der Léman Express wird Genf mit mehreren Städten in der Schweiz und in Frankreich verbinden. Experten erhoffen sich davon einen Rückgang des motorisierten Verkehrs um 12 Prozent. Eine Revolution. Die für den 15. Dezember vorgesehene Inbetriebnahme des Léman Express dürfte dieser Schizophrenie ein Ende be- reiten. Dann wird Genf über ein S-Bahn-Netz (Réseau Ex- press Regional, RER) an den Rest der Agglomeration von einer Million Menschen angebunden sein. Die Genfer kön- nen dann innerhalb einer Viertelstunde zumEinkaufen ins benachbarte Frankreich fahren. Die französischen Grenz- gänger wiederum können mit Zügen aus Annecy, Thonon oder St-Gervais direkt ins Genfer Stadtzentrum gelangen. Dort sind zwei neue Zentralbahnhöfe entstanden: Lancy Verbesserung. Soll die Entlastung dauerhaft bleiben, muss der Staat allerdings verkehrseinschränkendeMassnahmen planen. Sonst wird der flüssigere Strassenverkehr durch neue Fahrzeuge wieder ausgebremst, «wie es nach der Lan- cierung der S-Bahn nach Zürich der Fall war», sagt Vincent Kaufmann, Professor für Mobilitätsanalysen an der Ecole polytechnique fédérale de Lausanne (EPFL). Zudem gelte es den Forderungen punkto Fussgängerzonen und Lang- samverkehr Rechnung zu tragen. Wird der Kanton die Zufahrt von Fahrzeugen nach Genf einschränken? Ein
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