Schweizer Revue 5/2019
Schweizer Revue / September 2019 / Nr.5 7 Im Eiltempo durch Luzern: Die Zentral- schweizer Stadt ist bei Reisegruppen aus China äusserst beliebt. Nicht alle Einheimischen freuts. Foto Keystone Schweiz je sah. Der Zulauf bringt wirt- schaftlicheVorteile,wie eine Studieder Hochschule Luzern aufzeigt. Allein bei den Uhren-, Schmuck- und Souve- nirgeschäften am zentralen Platz in Luzern, wo die Reisebusse anhalten, generiertenGruppentouristen im Jahr 2017 eineWertschöpfung von 224Mil- lionen Franken. Das ist selbst für Schweizer Verhältnisse eine beein- druckende Zahl. Lokalparlament reagiert Doch während die Einnahmen spru- deln, stören sichEinheimische am Ver- kehrsaufkommenundamGedränge in der Innenstadt. Das Ladenangebot richte sich nur noch an Touristen aus, klagen sie. Die Situation ist zum Politi- kum geworden. Das Luzerner Parla- ment stimmte kürzlicheinemVorstoss der Grünen Partei zu, in dem auch ein- schneidende Massnahmen wie eine Steuerung über den Preis und eine Obergrenze für Hotelbetten vorge- schlagen werden. Nun muss die Stadt- regierung einen Bericht ausarbeiten, wie sie sich den Tourismus im Jahr 2030 vorstellt. Denn der Andrang dürfte weiter zunehmen. «Hauptursa- che für denMassentourismus sind die globalwachsendenTourismusströme», sagt der Luzerner Tourismusforscher Jürg Stettler im Interview mit der «Schweizer Revue» (siehe Seite 8). Auch beim unweit von Luzern ge- legenen Ausflugsberg Rigi bekundet die Bevölkerung Mühe mit den Mas- sen. Letztes Jahr beförderten die Ri- gi-Bahnen knapp eine Million Perso- nen, neuer Rekord auch dies. Neben den Schweizern selber zieht es Grup- penreisende aus China und Südkorea auf die Rigi. Die Bahnen hegen Aus- baupläne, doch dagegen formierte sich Widerstand. In einer Petition wandten sich Tausende, darunter Pro- minente wie der Kabarettist Emil Steinberger, gegen die Rigi «als Disney World» (siehe auch «Revue» 4/2018). Der Protest fruchtete. Einheimische, Gemeinden und Tourismusverant- wortliche unterzeichneten vor Kur- zem die Charta «Rigi 2030». Darin be- kennen sie sich zu einer nachhaltigen Entwicklung des begehrten Bergs. Ausgabefreudige Araber Interlaken imBerner Oberland erlebte in den letzten Jahren ebenfalls ein markantes Tourismuswachstum. Ne- benAsiaten, die bequemper Bahn auf den Dreitausender Jungfraujoch – Un- esco-Welterbe – fahren, kommen viele Araber in die Top-Destination zwi- schen Thuner- und Brienzersee. Die aus den Golfstaaten stammenden Touristen reisen individuell, und sie sind kaufkräftig. 420 Franken gibt ein arabischer Tourist pro Tag aus, Über- nachtung nicht einberechnet. Zum Vergleich: Ein chinesischer Gast lässt 380 Franken liegen, ein schweizeri- scher 140 Franken. Fast neunzig Pro- zent der Beschäftigten in Interlaken leben vom Tourismus. Kein Wunder, bemüht man sich intensiv um den lu- krativen Nahost-Markt. Doch auch hier zeigen sich bei der Bevölkerung «Sättigungseffekte», wie eine Studie der Universität Bern fest- hält. Nicht zuletzt fallen gewisse ara- bische Touristen wegen vollverschlei- erter Frauen im Strassenbild auf. Anders als imTessin gibt es imKanton Bern kein Verbot, den Niqab, also den Zum Beispiel China Wirtschaftswachstum und erleichterte Reise bestimmungen führen dazu, dass immer mehr Chinesinnen und Chinesen auf Reisen gehen. Das bekommt auch die Schweiz zu spüren. Im Jahr 2005 sorgten chinesische Touristen erst für rund 17 500 Logiernächte, 2018 waren es schon rund 147 300. Tourismusexperten erwarten, dass sich der Trend fortsetzt. Denn bisher be sitzen erst zehn Prozent der rund 1,4 Milliarden Chinesen einen Reisepass. (SWE) Gesichtsschleier, zu tragen. Befrem- den löst er trotzdem aus. Die Interlak- ner Tourismusorganisation setzt auf gegenseitige Aufklärung, um interkul- turellen Missverständnissen vorzu- beugen. Touristisches Personal wird speziell geschult, für die mit den hie- sigen Gepflogenheiten unvertrauten arabischen Gäste gibt es neu eine An- laufstelle und einen Info-Guide. Da- rin werden ihnen unter anderem die SchweizerVerkehrsregelnerklärt, weil sie oft imMietauto unterwegs sind. «Nur sehr punktuell» Durch die Wucht sozialer Netzwerke im Internet erlangen mitunter auch abgelegene Plätzchen internationale Berühmtheit. Wie das Berggasthaus
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