Schweizer Revue 6/2019
Schweizer Revue / November 2019 / Nr.6 27 anwältin Sophie Bobillier schätzt, dass man einem Jugendlichen in der Schweiz keinen illegalen Aufenthalt anlasten kann: «Die Kinderschutz pflicht muss schwerer wiegen.» Bei einemEmpfang durch eineDelegation des Staatsrates forderte das Collectif die Behörden dazu auf, den betreffen den Jugendlichen ein polizeilich aner kanntes Dokument auszustellen. Der Kanton anerkannte, dass häufige Ver urteilungen von Jugendlichen unter Vormundschaft wegen Verstössen ge gen das Ausländergesetz nicht wün schenswert seien. Minderjährige schlafen auf der Strasse Das Auftauchen von UM in den Stras sen von Genf begann im Frühling 2018. ImMärz fanden sich Minderjäh rige, die in einer Zivilschutzanlage der Heilsarmee für den Winter unterge bracht waren, auf der Strasse wieder. Einige wurden in Hotels unterge bracht, andere schliefen draussen oder verliessendieGegend, wie Païdos berichtet. Der Zustrom nimmt gegen wärtig wieder zu. Im September 2019 wurden laut dem Collectif MNA und Païdos etwa 20 jugendliche Neuan kömmlinge in Hotels untergebracht. Der Service de protection desmineurs berichtet, zwischen dem Sommer 2018 und 2019 200 Dossiers von Ju gendlichen unter Beistandschaft be treut zu haben. Im Juni unterstützte das Kantons parlament eineMotion zugunsten der jugendlichenAnkömmlinge. Siewurde von links und rechts gutgeheissen. Die SVP lehnte sie aus Furcht vor einem Anziehungseffekt ab. Als Verantwort liche für das öffentliche Schulwesen warf Staatsrätin Anne Emery-Torra cintadenVerbändenvor, dieseMigran ten zu sehr mit Samthandschuhen an zufassen. «Sie begehenDelikte. Es geht hier umeine Bevölkerungsgruppe, die sich von vornherein nicht integrieren will und enorme Probleme verur sacht», erklärte sie. Der Kanton eröffnet ein Durchgangszentrum für UM Unter dem Druck der Öffentlichkeit hat der Kanton die Eröffnung eines Zentrums mit 25 Plätzen für diese Be völkerungsgruppe angekündigt. Es wird für Jugendliche von 15 bis 18 Jah ren bestimmt sein. Die Betreuung wird eine auf sie abgestimmte erzie herische Begleitung beinhalten. Jeder Minderjährige profitiert von medizi nischer Versorgung. Gleichzeitig lan cierten die Behörden einen Aktions plan zugunsten der UMA, der ihre Aufnahme und ihren Zugang zu Bil dung erleichtern soll. Im Oktober er hielten sechs UM zudem das Verspre chen, zur Schule gehen zu dürfen. Eine Premiere. Der Staatsrat ist indessen der Meinung, dass nicht alle UM den Wunsch hegen, die Schule zu besu chen, und betont, dass Zweifel bezüg lich ihrer Identität und ihres Alters bestehen. Im Wallis, wo nur sehr wenige Fälle von UM bekannt sind, stellt sich der Leiter der Dienststelle für Bevöl kerung und Migration die Frage, ob dieseMinderjährigen nicht eigentlich Einwohner Frankreichs seien. Im Kanton Waadt scheint das Problem der UM nicht zu existieren. Der Inter nationale Sozialdienstmit Sitz inGenf plant, seine nächste Konferenz in der lateinischen Schweiz dieser Frage zu widmen. Sie findet am 12. Dezember statt und führt Beistände, Sozialarbei ter und Ärzte aus der Romandie und dem Tessin zusammen. Betroffene Kinder und Jugendliche formulieren bei einem Fotoshooting ihre Anliegen: Wir brauchen Hilfe; respektiert unsere Rechte; hört auch uns zu. Foto HETS Genève
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