Schweizer Revue 1/2020
Schweizer Revue / Januar 2020 / Nr.1 11 Die Unfähigkeit von Kleinstgemeinden, eine funktionie rende Verwaltung sicherzustellen, ist für den Tessiner Staatsrat Norman Gobbi der Beweis, dass an einer geziel ten Fusionspolitik keinWeg vorbeiführt. Wichtige Dienst leistungen, die heute von den Bürgern erwartet würden, könne eine Gemeinde in der Grösse Corippos nicht mehr autonom erbringen. Wasserversorgung und Kanalisation kosten Millionen. «Corippo musste sich wie viele andere Gemeinden dieser Evidenz ergeben», sagt Gobbi. Seit Jahrzehntenwird aus diesemGrund die Fusion von Gemeinden vorangetrieben. In 25 Jahren hat sich die Zahl der Tessiner Gemeinden von 245 auf 115 reduziert. «Gemäss kantonalem Fusionsplan streben wir langfristig eine Reduktion auf 27 Gemeinden an», sagt Gobbi. Analog läuft der Prozess auf eidgenössischer Ebene: Landesweit sank die Anzahl der Gemeinden seit dem Jahr 2000 bis im Früh jahr 2017 von 2899 auf 2255. Manche Kantone wie Glarus habenTabula rasa gemacht: 25Ortsgemeindenwurden 2011 auf drei Gemeinden reduziert. Dabei birgt diese Entwick lung ihre Schattenseiten. Skeptiker kritisieren, dassmit der Bildung der Grossverbände die Identität mit der eigenen Wohngemeinde immer stärker bröckelt. Zurück nachCorippo: Imalten Pfarrhaus bei der Kirche stellt eine Bewohnerin klar: «Die Leute haben keine Lust mehr, mit Journalisten zu sprechen, manhat uns alleWorte im Munde herumgedreht.» Tatsächlich haben in den letz ten Jahren etlicheMedienschaffende das Dorf imVerzasca tal aufgesucht, nachdem bekannt wurde, dass dort ein Hoteldorf entstehen soll. Reportagen erschienen sogar in der «New York Times». Auch ein Fernsehteam von BBC streunte durch den Ort. Doch was ist eigentlich geplant? Einige der alten Steinhäuser, die sogenannten Rustici, sol len inHotelzimmer umgebaut werden. Die Osteria, das Restaurant, soll zur Rezeption werden, wo die Gäste auch die Mahlzeiten einnehmen. «Albergo diffuso» lautet das Konzept, «das ver streute Hotel», das in Italien schon in einigen alten Siedlungen umgesetzt wurde. In der Schweiz wäre Corippo der Vorreiter. Fabio Giacomazzi ist Architekt, Ur banist und Präsident der Stiftung Corippo, welche das Hotel-Projekt vorantreibt und zu diesemZweck vor Jahren ein Dutzend alter Steinhäuser erworben hat. Ziel ist es, «die magi sche Atmosphäre» des Ortes zu erhal Extrem klein und zumindest aus Distanz extrem pittoresk: das Tessiner Bergdorf Corippo im Verzasca- tal. Bild Keystone Reproduziert mit Bewilligung von swisstopo (BA190212)
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