Schweizer Revue 1/2020
Schweizer Revue / Januar 2020 / Nr.1 12 Reportage ten, aber gleichzeitig demWeiler neues Leben einzuhau- chen. Giacomazzi hat schon etliche Personen durch das Dorf und die verlassenen Immobilien geführt, in denen die Zeit stehen geblieben zu sein scheint. Teilweise stehennoch alte Schuhe auf den Holzböden oder Gerümpel in der Ecke. Spinnweben zieren die Fenster. Immerhin: In einem Haus der Stiftung wurde bereits eine Ferienwohnung eingerich- tet, auch die Mühle wurde instand gesetzt. Anfang 2020 soll nun endlich mit der Renovation der anderen Häuser begonnen werden. ImDorf ist man skeptisch. «Seit Jahren werden Versprechungen gemacht», sagt eine Einwohnerin. Giacomazzi kann die Skepsis nachvollziehen, weist aber auch darauf hin, dass mit den Umbauarbeiten erst begon- nen werden kann, wenn alles Geld beisammen ist. 3,6 Mil- lionen Franken beträgt das Gesamtbudget. «Und im Mo- ment fehlennochknapp600000Franken», soderArchitekt. Er gibt sich zuversichtlich, den Betrag bald aufzutreiben, hofft auf private Spender. Claire Amstutz unterstützt das Projekt. Sie ist Wirtin der Osteria in Corippo. ImWinter kommt sie aber nur selten. Wir treffen sie eher zufällig, während sie ein Sonntagses- sen für ihre Stammkunden zubereitet: Eine Berner Platte – mit Dörrböhnen, Salzkartoffeln, Sauerkraut, Speck und Wurst. Nochweiss auch die zugewanderte Deutschschwei- zerin nicht genau, wie es weitergeht; sie wartet auf den neuen Vertrag für die Saison 2020. Kurios: In der Osteria hängt bereits eine Urkunde mit dem «Hotel Innovations-Award», der von der Schweizeri- schen Gesellschaft Hotelkredit und Gastrosuisse im Jahr 2017 für das Projekt «Albergo diffuso» vergeben wurde. Auch dieser Preis hat dafür gesorgt, dass schon viele Leute angerufen haben, um ein Zimmer zu buchen. «Nur ist das eben bisher gar nicht möglich», lacht Claire Amstutz. Als «vorbildhaft» bezeichnet Thomas Egger das Projekt von Corippo. Der Walliser CVP-Nationalrat ist Präsident der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für die Bergge- biete (SAB). «Ein dezentrales Hotel ist ein sehr guter Ansatz, um bestehende Bausubstanz besser zu nutzen», fügt er an. Und er verweist auf analoge Initiativen in Grengiols (VS) unter demNamen «Poort a Poort» sowie inAlbinen (VS) un- ter der Bezeichnung «Albijou». Laut Egger ist es keine Option, Gemeinden oder Teil- räume des Berggebietes aufzugeben. Und da weiss er auch den Bundesrat auf seiner Seite. Die Schweizer Regierung hat Mitte November einen Bericht verabschiedet, der auf- zeigt, wie die Existenz der Berggebiete gesichert und die Abwanderung eingedämmt werden soll. Als unerlässlich nennt der Bericht etwa den Ausbau der digitalen Infra- struktur, namentlich mit Hochbreitband und Ultrahoch- breitband. GERHARD LOB IST JOURNALIST IN LOCARNO (TI) Fabio Giacomazzi will die «magische Atmosphäre» des Dorfes Corippo er halten – und kaufte Häuser auf. Foto LOB Wirtin Claire Amstutz findet es toll, dass das Dorf zum «verstreuten Hotel» werden soll. Foto LOB Die Abwanderung hinterlässt Spuren: Im abgelegenen Corippo verstauben überall die Hinter lassenschaften. Bild LOB
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