Schweizer Revue 1/2020

Schweizer Revue / Januar 2020 / Nr.1 15 bärdensprache nach und nach von meinen Schulkameraden gelernt», sagt Brigitte Schökle. Was zählt, ist Förderung ab der Wiege ImGegensatz zu damals besuchen ge- hörlose oder schwerhörige Kinder heute nicht mehr zwingend eine Son- derschule, sondern können auch in eine Regelschule integriert werden. Ein Teil der hörbehinderten Kinder (und Erwachsenen) trägt heute entwe- der ein Hörgerät oder sogar ein soge- nanntes Cochlea-Implantat (in der Gehörschnecke platziertes Implantat). Damit wird es zumindest teilweise möglich, Sprache zu verstehen. Ein ge- sundes Gehör können die Hilfsmittel aber nicht ersetzen. Die heutigen Hilfsmittel und der Schulbesuch reichten zur Förderung hörbehinderter Kinder nicht aus, sagt Brigitte Schökle, die selber drei Kinder hat, die aber alle hören: «Immens wichtig ist die frühe Förderung. Hör- behinderte Kinder sollten die Gebär- densprache von klein auf lernen und ‹bilingual› aufwachsen können.» Wer zweisprachig aufwachse, habe die bessere Chance, eine gute Bildung zu erhalten, weil der Schulstoff auch mit Hilfe von Dolmetschern vermittelt werden könne. Brigitte Schökle: «Ge- gehörlosen Poetry Slammerinnen sehr angetan sei – und sich voll auf die dolmetschende Person oder die gehör- losen Künstler fokussierte: «Das hat damit zu tun, dass demPublikummit der Gebärdensprache sehr bildlich, lebhaft und emotional vermittelt wer- den kann, umwas es geht.» Allein: «Dass man die Gebärden- sprachemittlerweile imKulturbereich akzeptiert, ist zwar toll. Doch eigent- lichmöchtenwir in allen Lebensberei- chen gleichberechtigt und selbstbe- stimmt an der Gesellschaft teilhaben können.» Auch deshalb sei die rechtli- che Anerkennung der Gebärdenspra- che durch den Bundesrat «ein Schritt in die richtige Richtung». MIREILLE GUGGENBÜHLER IST FREIE JOURNALISTIN UND LEBT IN THUN rade im Bereich der Frühförderung erhoffe ich mir Massnahmen, sollte die Gebärdensprache in der Schweiz rechtlich anerkannt werden.» Konzerte übersetzen – für alle Während die Gebärden in der Kinder- und Jugendzeit von Brigitte Schökle sehr gross und raumnehmend aus­ gefallen sind, sind sie heute sehr viel feiner und differenzierter.Was Hören- den kaum bewusst ist: Die Gebärden- sprache besteht nicht nur aus Hand- bewegungen undMimik, sondern hat ihre eigene Grammatik und Syntax. «Sie ist kein blosses Hilfsmittel, son- dern eine eigenständige Sprache», be- tont Brigitte Schökle. Die Sprache sei in den vergangenen Jahrzehnten «ge- haltvoller und reicher» geworden und habe sich stetig weiterentwickelt. Und zwar so stark, dass es heute möglich ist, ganze Konzerte in Gebär- densprache zu übersetzen. Brigitte Schökle hat sich in diesemBereich sel- ber stark engagiert. Sie ist überzeugt, dass sich mit der Übersetzung von KulturveranstaltungenBrückenbauen lassen, Brücken zwischen hörenden und hörbehinderten Menschen. An Kulturveranstaltungen habe sie erlebt, dass das hörende Publikum von den übersetzenden Gebärden- sprachdolmetschern oder auch von Politik bewegt sich Die Gehörlosen der Schweiz haben in Christian Lohr (CVP), Regula Rytz (Grüne) und Mathias Reynard (SP) drei Nationalräte gefunden, die sich auf politischer Ebene für die rechtliche Anerkennung der drei Schweizer Gebärdensprachen stark machen. Der Nationalrat hat Vorstösse des Trios in dieser Sache bereits gutgeheissen. Nebst der rechtlichen Anerkennung fordern Lohr, Rytz und Reynard konkrete Schritte im Sinne der UNO- Behindertenrechtskonvention, dies mit dem Ziel, «die vollständige, inklu- sive und barrierefreie Teilhabe von Gehörlosen und Hörbehinderten zu erreichen». … Flugzeug … … machen in den Alpen … … einen Flug.

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