Schweizer Revue 1/2020
Schweizer Revue / Januar 2020 / Nr.1 16 Politik MARC LETTAU In historischem Ausmass grüner, weiblicher, etwas linker und eine Spur jünger: Dies war das Fazit der «Revue» zu den Nationalratswahlen vom 20. Oktober 2019. Inzwischen ist nach Stichwahlen auch der Ständerat, die kleine Kammer, komplett. Hier lautet das Fazit ähnlich: Er ist nicht linker, aber signifikant grüner, weiblicher – und jünger. Politikerinnen wie die beiden 31-Jährigen Lisa Mazzone (GE, Grüne) und Johanna Gapany (FR, FDP) sowie die 35-jährige Céline Vara (NE, Grüne) ziehen das Durchschnittsalter künftig nach unten. Für die Fünfte Schweiz waren die Ständerats-Stichwahlen eine eher unbefriedigende Erfahrung. Weil bei Stichwahlen der Versand der Unterla- gen besonders kurzfristig erfolgt, wirkte sich der Ausfall des E-Votings besonders stark aus. Vielen Ausland- schweizerinnenund -schweizernblieb die Teilnahme verwehrt. Bei den Nationalratswahlen hatten die Wahl- berechtigten der Fünften Schweiz mehr Einfluss: Sie haben die politische Trendwende verstärkt. Ein Viertel aller Stimmen aus dem Ausland ging an die Grünen. Damit wählten die Fünfte Schweiz markant grüner als die Wählerinnen und Wähler im Inland. Der Analyse des Wahlverhaltens sind zwar Gren- zen gesetzt, weil nicht alle Kantone das Stimmverhalten der Fünften Schweiz gesondert ausweisen. Die Zahlen aus bevölkerungsreichen Kan- tonen ergeben aber ein klares Bild. In Zürich zumBeispiel, demmit Abstand bevölkerungsreichstenKanton, akzen tuierten die Wählenden aus der Fünf- ten Schweiz den grünen Trend ein- deutig. Die Grünen und die Grünlibe- ralen (GLP) kamen im Ausland auf einen gemeinsamenWähleranteil von fast 38%. Gleichzeitig wurden die bei- den grossen Polparteien SVP und SP auf die Plätze zwei und drei verwiesen (hervorgehoben ist die jeweils wähler- stärkste Partei): Partei Gesamtergebnis Kanton Zürich Wahlverhalten Fünfte Schweiz SVP 26,7 % 18,3 % FDP 13,7 % 13,1 % CVP 4,4 % 3,6 % BDP 1,6 % 1,3 % GLP 14,0 % 15,4 % Grüne 14,1 % 22,4 % SP 17,3 % 17,9 % Weitere 8,2 % 8,0 % DasMusterwiederholt sich in etlichen Kantonen der Deutschschweiz. Auch inmehrheitlich bürgerlichwählenden Kantonen war der Rückhalt der Grü- nen bei den Auslandschweizerinnen und -schweizern überdurchschnitt- lich, wie sich amBeispiel des Kantons Aargau zeigt. Insgesamt verbesserten sich die Grünen im Aargau auf 9,8%. Der Anteil der grünen Stimmen aus demAusland lag hingegen bei 21,7%. Ein Erklärungsansatz für den star- ken Rückhalt grüner Parteien bei im Die Fünfte Schweiz hat den grünen Trend verstärkt Die Nachwahlanalyse zeigt deutlich: Die Fünfte Schweiz wählte an den Nationalratswahlen 2019 besonders grün. Bei den Ständeratswahlen hatte sie dafür wenig mitzureden. Ausland lebenden Wählerinnen und Wählern ist naheliegend: Der Klima- wandel ist das mit Abstand internati- onalste Thema und aus der Perspek- tive der Fünften Schweiz wahrnehm- barer als der innerschweizerische Disput über Rentenreformen oder Ähnliches. Ausgeprägter denn je hat dieses Jahr die Romandie grün gewählt: In Genf und Neuenburg haben die Grü- nen und die Grünliberalen ihre Wäh- leranteile mehr als verdoppelt. Das Gleiche schafften die Grünen auch im Kanton Jura und – auf tieferemNiveau – imWallis. Stark zugelegt haben die Grünen auch in der Waadt. In den Westschweizer Kantonen weicht das Wahlverhalten der Auslandschweize- rinnen und -schweizer aber generell weniger stark von jenem der Inland- schweizer ab. Genf dient dazu als An- schauungsbeispiel: Gesamtergebnis Wahlverhalten Partei Kanton Genf Fünfte Schweiz SVP 13,7 % 14,6 % FDP 17,9 % 17,1 % CVP 7,7 % 6,8 % BDP 0,4 % 0,4 % GLP 5,4 % 4,9 % Grüne 24,6 % 20,4 % SP 14,7 % 12,2 % Ensemble à gauche /PdA 7,4 % 8,0 % Weitere 8,2 % 15,6 % Was aus der Forderung der erstarkten Grünen nach einemSitz in der Landes- regierungwird, stand bei Redaktions- schluss noch nicht fest:Wir liefern die Ergebnisse der Bundesratswahl vom 11. Dezember in der nächsten «Revue» nach. Mitarbeit Datenrecherche: Stefanie Mathis-Zerfass Linke Säulen 2015; rechte Säulen 2019 14 13 CVP FDP SP SVP Grüne BDP 7 5 0 12 12 12 9 6 1 1 Alte und neue Sitzverteilung im Ständerat
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