Schweizer Revue 2/2020

Schweizer Revue / April 2020 / Nr.2 31 Klimaaktivisten feiern «historisches Urteil» Das Bezirksgericht in Renens (VD) hat im Januar zwölf Klimaaktivisten freigesprochen. Die Aktivisten waren im November 2018 in eine Lausanner Filiale der Grossbank Credit Suisse (CS) eingedrungen und spielten dort als Ten­ nisspieler verkleidet einen fiktiven Match. Dabei pranger­ ten sie die «Heuchelei» der CS an, die sich in ihren Kampa­ gnen des positiven Ansehens von Roger Federer bediene, aber gleichzeitig eine umweltschädliche Investitionspoli­ tik verfolge. Vor Gericht blitzte die klagende Bank, die den Aktivisten Hausfriedensbruch vorwarf, nun ab. Der Rich­ ter befand, die Aktivisten hätten aus Gründen eines «recht­ fertigenden Notstandes» gehandelt. Das Vorgehen der Aktivisten sei angesichts der Klimakatastrophe «notwen­ dig und angemessen» gewesen. Einen anderenWeg, umdie Bank zu einer Reaktion zu bewegen, habe nicht bestanden. Die Anwälte der Aktivisten sprechen von einem «histori­ schen Urteil für die Schweizer Rechtsprechung». (MUL) Grossbank Credit Suisse in Turbulenzen Die Schweizer Grossbank Credit Suisse (CS) wird von Turbulenzen in der Chefetage erschüttert. Am 14. Februar 2020 trat Konzernchef Tidjane Thiam zurück. Er reagiert damit auf die Enthüllungen durch Schweizer Medien, wo­ nach die Grossbank eigene Kadermitglieder beschatten liess. Thiam gab an, nichts von den problematischen Über­ wachungen gewusst zu haben. (MUL) Der «Vater des Sonnensegels» ist gestorben Als der ersteMensch seinen Fuss auf denMond setzte, hatte er ein Experiment der Universität Bern im Gepäck: Eine Folie, die Sonnenwind einfangen sollte (siehe «Schweizer Revue» 3/2019). Geistiger Vater des Sonnenwindsegels war Johannes Geiss, Physikprofessor an der Uni Bern. Ende Januar ist Johannes Geiss nun im Alter von 93 Jahren ge­ storben. Er hat mit seinem Forschungsdrang der Schwei­ zerWeltraumforschung zuWeltruhmverholfen. Auch das wissenschaftliche Programmder EuropäischenWeltraum­ agentur ESA prägte er wesentlich mit. (MUL) Bundespräsidentin empfing Holocaust-Opfer Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga (siehe auch Seite 12) hat aus Anlass des Gedenkens ans Ende des Zwei­ ten Weltkrieges in der Schweiz lebende Holocaust-Überle­ bende getroffen. ZumDialogmit den überlebendenOpfern lud die Bundespräsidentin auch Geschichtsstudentinnen und -studenten ein, dies unter anderemmit demZiel, dass das «dunkle Kapitel der Schweizer Geschichte» nicht ver­ gessen gehe. (MUL) Sibylle Berg Herausgepickt Nachrichten Erst wurde ihr Roman «GRM»mit demSchweizer Buchpreis 2019 aus­ gezeichnet, danach hat sie mit demGrand Prix Literatur die höchste Auszeichnung des Landes erhalten. Die Schriftstellerin Sibylle Berg ist endgültig in ihrer Wahlheimat angekommen. Darüber freut sie sich sichtlich, wie sie in einem Interview sagte. Das Schöne daran sei, dass nach 24 Jahren imöffentlichen Bewusstsein ankomme, «was ich (für mich) schon lange bin: eine Schweizer Autorin». Sibylle Berg wurde 1962 inWeimar geboren, 1984 übersiedelte sie in denWesten. Als Erstes reiste sie damals für einen Kurs nach Ascona an die Scuola Teatro Dimitri. Danach studierte sie inHamburg so ungleiche Fächer wie Ozeanografie und Politikwissenschaften, bevor sie Mitte der 1990er-Jahre in die Schweiz zurückfand, um zu bleiben und deren Bürgerrecht anzunehmen. Gleich mit ihrem Erstling, dem Roman «Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot», landete Sibylle Berg einen grossen Erfolg. Sie legte damit die Basis für ein literarisches Werk, das heute 15 Prosabücher und zwei Dutzend Theaterstücke umfasst und international Aufsehen erregt. Dies auch, weil Sibylle Berg in ihren Büchern gerne provoziert. Sie wurde schon als «Höllenfürstin des Theaters» oder «Hasspredigerin der Single­ gesellschaft» bezeichnet. Ihr jüngster Roman «GRM. Brainfuck» (siehe auch Beitrag auf Seite 30) bestätigt solche Zuschreibungen, zugleich bedeutet er eindrücklich, dass es Sibylle Berg ernst meint. Mit ihren Zuspitzungen zielt sie auf eine scharfe Gesellschaftskritik ab. «GRM» entwirft eine Zukunftsvision, in der die Segregation von Arm und Reich total ist und diemenschliche Arbeit jeglichen Sinn verloren hat. Das ist höchst ungemütlich zu lesen, es öffnet aber die Augen für das künftig Mögliche. BEAT MAZENAUER

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