Schweizer Revue 2/2020
Schweizer Revue / April 2020 / Nr.2 8 Schwerpunkt Beutegreifer getötet werden kann, wenn er zu viel Schaden anrichtet: In der Regel ist die rote Linie überschrit ten, wenn einWolfmehr als 25 Schafe gerissen hat. Die Behörden erteilten seit dem Jahr 2000 insgesamt 23 Ab schussbewilligungen, davon konnten zehn ausgeführt werden. In den ande ren Fällen machten sich die Wölfe rechtzeitig aus dem Staub, bevor die Wildhüter sie ins Fadenkreuz nehmen konnten. Rund 20 Wölfe kamen auf andere Weise ums Leben: Sie wurden auf der Strasse von Autos erfasst, ge rieten unter den Zug oder wurden illegal abgeschossen. Stirbt der Wolf eines natürlichen Todes, wird er kaum Der Wolf in Film und Buch Im 2019 erschienenen Dokumentar- film «Die Rückkehr der Wölfe» be- leuchtet der Schwyzer Filmemacher Thomas Horat das Ringen um den richtigen Umgang mit dem Wolf. Dabei blickte Horat über die Schwei- zer Grenze hinaus und machte sich während dreier Jahre auch auf Spu- rensuche in Österreich, Deutschland, Polen, Bulgarien und den USA. Der Filmemacher befragte Schaf- und Alphirten, Wolfs experten – unter ihnen Reinhard Schnidrig – und Wissenschaft- lerinnen zu Fakten und Mythen rund um das Wildtier, das die Meinungen spaltet. Der sehenswerte Film zeigt die Faszination Wolf ohne Verklärung. «Die Rückkehr der Wölfe» ist ab Herbst als DVD oder Video-on-Demand erhältlich. Vorschau auf den Film (mit deutschen Untertiteln): ogy.de/trailer-wolf; Vorschau auf den Film (mit englischen Untertiteln): ogy.de/wolf-trailer Nicht nur auf der Leinwand, sondern auch in Buchform erobert der Wolf Terrain. In seinem neusten Buch «Wolfsodyssee» dokumentiert der schweiz-kanadische Naturfotograf Peter A. Dettling seine langjährige Suche nach dem Wesen des Wolfes. Die Faszination für das Tier lässt ihn nicht mehr los, seit er 2005 in Kanada erstmals zehn wild lebenden Wölfen gegenüberstand. Das Buch verwebt Biografie, Naturgeschichte, Verhaltens forschung und Abenteuerreise. «Wolfsmensch» Dettling will damit Verständnis und Empathie für einen unserer «ältesten Ver- bündeten» wecken. Das Buch enthält zahlreiche Abbildungen, darunter die in dieser Ausgabe der «Schweizer Revue» verwen- deten Wolfsbilder. Wolfsodyssee. Peter A. Dettling. Werd & Weber Verlag (2019), 350 Seiten, CHF 39.–. Nur in deutscher Sprache erhältlich. gefunden und erscheint deshalb in keiner Statistik. Abstimmen übers Jagdgesetz Die steigende Zahl der Wölfe hat Poli tiker aus den betroffenen Bergkanto nen auf den Plan gerufen. Bereits 2015 beauftragte das Parlament den Bun desrat mit einer Lockerung des Arten schutzes, damit der Wolfsbestand re guliert werden kann, bevor grosse Konflikte entstehen. Am 17. Mai stimmt nun das Volk über eine um strittene Änderung des eidgenössi schen Jagdgesetzes ab. Es erlaubt den Behörden,Wölfe zur Regulierung des Bestandes abzuschiessen, bevor sie Schaden angerichtet haben. Hinter dem Gesetz stehen die bürgerlichen Parteien, der Bauernverband und die Jäger. Aus ihrer Sicht sind Abschüsse ein unverzichtbares Instrument, um ein Nebeneinander von Mensch und Wolf zu ermöglichen. Gegen solche «Wolfsabschüsse auf Vorrat» wehren sich jedoch die Natur- und Tierschutzverbände. Sie sehen in der Vorlage ein fatales Signal zur Schwächung des Artenschutzes. In nert kurzer Zeit brachten sie die für eine Volksabstimmung nötigen 50000Unterschriften zusammen. Die Verbände wehren sich auch dagegen, dassWölfe gemäss demneuen Gesetz selbst in Jagdbanngebieten abgeschos sen werden dürften. Aus ihrer Sicht sollten die Schutzgebiete auch für Wölfe ein Rückzugsort bleiben. Schutzstatus des Wolfs auf dem Prüfstand Laut den Bundesbehörden ist die ge plante Lockerung des Wolfsschutzes mit der sogenannten Berner Konven tion vereinbar. Das internationale Übereinkommen über die Erhaltung der europäischenwild lebenden Pflan zen und Tieren und ihrer natürlichen Lebensräume wurde 1979 in Bern ab geschlossen. Die Konvention lasse Wolfsabschüsse ausdrücklich zu, be vor grosser Schaden eintreffe, hält das Bafu fest. Noch hängig ist ein 2018 de ponierter Antrag der Schweiz, den Wolf imRahmen der Konvention von «streng geschützt» auf «geschützt» her abzustufen. Der Ständige Ausschuss der Berner Konvention lehnte 2006 einen gleichlautenden Antrag der Schweiz ab. Bevor ein neuer Entscheid über den Schutzstatus fällt, wollen die EU-Länder zuerst den Bestand der Wölfe in ganz Europa erheben. Resul tate liegen noch nicht vor. Das ThemaWolf bewegt dieGemü ter, und dasmythosbeladeneWildtier lässt niemandenkalt. Bereits imeidge nössischen Parlament sorgte das Jagd gesetz für eine emotionale Debatte. Dabei warfen Bergler den Flachlän dern vor, den Wolf zu romantisieren undder betroffenenBergbevölkerung vorzuschreiben, wie siemit demWild tier umzugehen habe. Dieser Stadt- Land-Graben droht beim Urnengang vom17. Mai erneut aufzureissen. Doch wie das Volksverdikt auch ausfällt: Der Wolf ist da. Und er wird bleiben. Wolfsbeobachter auf Spurensuche im Wallis. Bild aus dem Film «Die Rück- kehr der Wölfe» von Thomas Horat.
RkJQdWJsaXNoZXIy MjYwNzMx