Schweizer Revue 3/2020

Schweizer Revue / Juni 2020 / Nr.3 21 Abstand halten. Gründlich Hände waschen. Hände schütteln vermeiden. In Taschentuch oder Armbeuge husten und niesen. Bei Fieber und Husten zu Hause bleiben. Nur nach telefoni- scher Anmeldung in Arztpraxis oder Notfallstation. 5. März: Das erste Todesopfer. In Lausanne stirbt eine 74-jährige Frau an der Lungenkrankheit Covid-19, die durch das neue Corona-Virus hervorgerufen wird. Anfang März: Die Präventionskampagne verpufft teils. In mehreren Städten machen junge Menschen Party und unterlaufen so demonstrativ die Anordnungen des Bundes. Gleichzeitig aber entstehen private Initiativen zur Solidari- tät insbesondere mit den Älteren, die als besonders risiko­ exponiert gelten. Die Spanne reicht von Einkäufen über Ge- spräche bis zur Sicherstellung der medizinischen Versorgung. 11. März: Angesichts der rasanten Ausbreitung des Virus in Norditalien führt die Schweiz im Kanton Tessin Grenz- kontrollen ein. Die rund 70000 Grenzgänger dürfen nach wie vor einreisen. 12. März: Das Tessin ruft als erster Kanton eine Ausnah- mesituation aus, Schulen und die beiden Hochschulen machen dicht. Der Bund legt ein Nothilfepaket von zehn Milliarden Franken auf, umAusfälle für die Schweizer Un- ternehmen abzufedern. 16. März: Der Bundesrat erklärt die «ausserordentliche Lage». Alle Läden, Restaurants, Bars sowie Unterhaltungs- und Freizeitbetriebe bleiben in der ganzen Schweiz zumin- dest bis am 19. April geschlossen. Der Lockdown gilt auch für Schulen. Geöffnet bleiben nur Lebensmittelläden und Gesundheitseinrichtungen wie Apotheken. Die Armee mobilisiert 8000 Armeeangehörige für Unterstützungs- dienste in Gesundheitswesen, Logistik und Sicherheit. 19. März: Der Kanton Uri schert aus. Die Behörden des Bergkantons verhängen eine Ausgangssperre für Senioren ab 65 Jahren. Sie müssen die Massnahme nach einer Inter- vention des Bundes zwei Tage später zurücknehmen. 20. März: Der Bundesrat greift zu drastischem Notrecht und erlässt einVersammlungsverbot fürmehr als fünf Per- sonen. Dazu ruft er die Bevölkerung auf, das Haus nur noch für Lebensmitteleinkäufe und Arztbesuche zu verlassen. Die Empfehlung gilt insbesondere für Menschen über 65, die als besonders gefährdet gelten. Damit setzt die Regie- rung auf eine selbstverantwortete Ausgehbeschränkung und nicht auf eine Ausgangssperre, wie sie etwa Italien, Frankreich, Spanien oder Argentinien verhängten. Mit der Notverordnung verfolgt der Bundesrat zwei Ziele: Die Verhinderung eines Kollapses in den Schweizer Spitälern und die Beendigung des «Wildwuchses» der Kan- tone betreffendMassnahmen. Dazubessert er seineNothilfe für die Schweizer Wirtschaft nach und erhöht auf 42 Mil- liarden Franken. Die Soforthilfe für Firmen in Not beträgt 500000 Franken, die sie ohne grossen bürokratischenAuf- wand und zinsfrei bei ihrer Privatbank beziehen können. Einzelne Städte schliessen öffentliche Parkanlagen. Poli- zeipatrouillen setzen das Versammlungsverbot und das Distanzgebot vereinzelt durch. 21. März: Das Aussenministerium kündigt Sonderflüge für 630 Schweizerinnen und Schweizer an, die in Ländern Lateinamerikas blockiert sind. Der erste Rückflug findet drei Tage später statt. Gleichentags schert der Kanton Tessin aus. Die Tessiner Kantonsregierung ordnet die Schliessung von Industrie­ betrieben und Baustellen an. DieMassnahme ist auch eine indirekte Grenzschliessung für viele der dort als «Fron­ talieri» bezeichnete Grenzgänger. 22. März: Der oberste Jurist des Bundes pfeift die Tessiner harsch zurück. Alle Kantone hätten sich strikte an das Notrecht des Bundes zu halten, Abweichungen seien nicht möglich, sagteMartinDumermuth, Leiter des Bundesamtes für Justiz. Mit seinemVorpreschenhabe der Südkanton ein gefährliches Zeichen gesetzt, das es zu unterbinden gelte. 25. März: Das Bundesamt für Gesundheit vermeldet die Zahl von nachgewiesenen 10000 Corona-Fällen und 150 Todesopfern. Die Zwischenbilanz Nach einem Monat im Ausnahmezustand steht das Land weitgehend still. Das für die allermeisten angenehme Leben existiert so nicht mehr. Die Menschen sind in Isolation. 80 Prozent der Beschäftigten arbeiten imHomeoffice. Sämt- liche Schulen sind geschlossen, alle Eltern sind mit Home- schooling-Aufgaben konfrontiert. Der Tourismus, die Vor- zeigebranche der Schweiz, liegt im Koma. Den Beschäftig- ten der Gastronomiebranche droht die Arbeitslosigkeit. Wer im Medizinal- und Pflegebereich arbeitet, leistet hin- gegen Sonderschichten – bis an die Leistungsgrenze. Auf den Feldern spriessen üppig die Kulturen, aber es fehlen angesichts der dichten Grenzen die ausländischen Ernte- helfer. BeimBund sind per Ende März rund 600000 Gesuche von über 40000 Firmen für Kurzarbeitsentschädigungen eingetroffen. Jene Züge und Busse, die noch verkehren, sind praktisch leer. Der Fahrplan istmassiv ausgedünnt. Es häu- fen sich Berichte von Menschen, die einsam sterben, weil ihre Lieben sie nicht mehr besuchen können. * Renat Kuenzi ist Redaktor bei Swissinfo. Swissinfo führt ein Dossier zur Corona-Pandemie, das laufend aktualisiert wird. www.swissinfo.ch Weitere Nachrichten zur Corona-Pandemie auf Seite 4. Verhaltenshinweise und Piktogramme aus der aktuellen Corona-­ Kampagne des Bundes- amtes für Gesundheit.

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