Schweizer Revue 4/2020

Schweizer Revue / Juli 2020 / Nr.4 14 MIREILLE GUGGENBÜHLER In den Tagen nach dem 16. März war dieMailbox vieler Eltern plötzlich voll, voll von Mails der Lehrerinnen und Lehrer ihrer Kinder. Am16. Märzwur- den nämlich schweizweit alle Schulen geschlossen und es galt in aller Eile, einen Fernunterricht aufzubauen. DochdieUnterlagenundArbeitspläne, die den Eltern und ihren Kindern zu- gestellt wurden, unterschieden sich nicht nur von Kanton zu Kanton, son- dern von Schule zu Schule, vonKlasse zu Klasse. Es gab Lehrkräfte, die mit ihren Schülerinnen und Schülern täglich per Video arbeitenwollten. Andere er- warteten von den Kindern die selbst- ständige Erarbeitung grosser, fächer- übergreifender Dossiers. Hier die Schulen, die sich stark auf die traditi- onellen Hauptfächer fokussierten. Da die anderen, die in der angespannten Zeit auch Wert auf die kreativen und musischen Bereiche legten. Kurz: Jede Lehrerin, jeder Lehrer packte den Fernunterricht anders an. Der Schwei- zer Föderalismus zeigte sich zu Be- ginnder «Corona-Schule» in einer sehr ausgeprägten Form. Start ohne klare Vorgaben Für die Eltern, die gerade selber unter dem Eindruck der coronabedingten Umbrüche in ihrer Arbeitswelt stan- den, war es schwierig, den Überblick in Sachen Schule zu behalten. Nicht nur die Ziele, Schwerpunkte und Re- geln des Fernunterrichts waren alles andere als einheitlich. Selbst auf die Frage, ob und wie die Schülerinnen und Schüler in der Corona-Zeit beur- teilt und benotet werden sollten, gabs Die föderalistisch-unübersichtliche Schweizer «Corona-Schule» Die ‹Corona-Schule› gefährdete Chancengleichheit Rund eine Million Schweizer Schülerinnen und Schüler im Volksschulalter mussten während des Lockdowns zuhause lernen. Gleiches galt für 400 000 Lernende an weiterführenden Schulen oder Berufsschulen. Der Fernunterricht hat sie alle herausgefordert. Etliche profitierten von ihm – aber längst nicht alle. Schwerpunkt unterschiedliche Antworten. So war zu Beginn der Fernschule unklar, ob Abschlussprüfungen, etwa die Matu- ritätsprüfungen, überhaupt stattfin- den würden. Alles in allem kein Start mit klaren Vorgaben. In normalen Zeiten zeigen sich oft die Stärken der dezentralen und sehr föderalistisch geprägten Schweizer Schullandschaft. Jetzt, in der Krise, offenbarten sich einige ihrer Schwä- chen. Die qualitativen Unterschiede zwischen den Schulen wurden grös­ ser und die Folgen dieser Unter- schiede ebenfalls. Diesen Schluss zie- hen die Verfasserinnen und Verfasser des sogenannten Schul-Barometers der Pädagogischen Hochschule Zug. Dieses Barometer zeigt gestützt auf systematische Befragungen das Stim- mungsbild in den Schulen der Schweiz, Deutschlands und Öster-

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