Schweizer Revue 5/2020

Schweizer Revue / September 2020 / Nr.5 10 Reportage STÉPHANE HERZOG Ich komme an einem windigen Som- mertag im Juli in La Brévine an. Das Tal ist inNebel gehüllt. Als ich auf dem Dorfplatz aus dem Bus steige, fröstelt es mich. Wird meine sommerliche Kleidung – ein T-Shirt und eine Regen- jacke – angesichts des hiesigenKlimas genügen? Ein Blick auf das digitale Thermometer am Dorfplatz zeigt: Es ist gerade einmal 18 °C. Ich spüre den Effekt von La Brévine! Die Neuenbur- ger Gemeinde im Juramassiv liegt auf etwas mehr als 1000Meter über Meer in einer Talsenke und hält mehrere Kälterekorde, darunter die tiefste je an einer lokalen Station von Meteo- Schweiz gemessene Temperatur der Schweiz: Am 12. Januar 1987 fiel das Thermometer auf klirrende -41,8 °C. Damit hält La Brévine den Rekord als kältester bewohnter Ort der Schweiz. «Am kältesten ist es frühmorgens, wenn die Sonne aufgeht. Eigentlich er- wartet man, dass es dann wärmer wird, doch die Sonnenstrahlen halten die Kälte am Boden», erklärt Gemein- depräsident Jean-Maurice Gasser. Wer durch die Strassen des kleinen Dorfes schlendert, das von vier Ver- kehrsachsen durchquert wird, wird auch im Sommer ins Reich der Kälte entführt. Das Geschäft, in dem Besu- cher im Sommer Langlaufski auf Rol- len leihen können, heisst Siberia Sports. Ein zurzeit geschlossenes Gasthaus trägt den Namen «Au Loup Blanc» – ZumWeissenWolf. Dahinter liegt dasMöbelhaus Alaska. Und dann ist da L ’ Isba, ein altes Café-Restaurant. Nicht allemacht die eisige Reputation des Dorfes glücklich: «Viele glauben, La Brévine macht seine Kälte selbst im Sommer zumMarkenzeichen La Brévine, das Dorf im Neuenburger Jura, hält den Rekord als kältester bewohnter Ort der Schweiz. Der Klimawandel bringt allerdings die Schneeverhältnisse und die Kälterekorde durcheinander. Doch La Brévine bleibt ein Besuchermagnet.

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