Schweizer Revue 5/2020
Schweizer Revue / September 2020 / Nr.5 21 Ungeachtet der Corona-Restriktionen demonstrierten in Basel Anfang Juni 2020 Tausende gegen Rassismus. Foto Keystone Neu aufgeflammt ist die schon jahrelang schwelende Kon- troverse um den brillanten Gletscherforscher Louis Agas- siz, der im 19. Jahrhundert eine rassistische Theorie entwi- ckelte, mit der die USAdieDiskriminierung der schwarzen Bevölkerung legitimierte. In der Schweiz ist ein Berggipfel an der Kantonsgrenze zwischen Bern undWallis nach ihm benannt, den ein Komitee um den Historiker Hans Fässler seit 15 Jahren umbenennen will. Die drei betroffenen Ge- meinden weigern sich jedoch standhaft, das zu tun. Vorwürfe gibt es auch gegen den Zürcher Wirtschafts- erneuerer Alfred Escher. Dessen weitverzweigte Familie besass Plantagen in Kuba, auf denen Sklaven arbeiteten. Und selbst Henri Dunant, Gründer des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes, war zuvor als kolonialer Un- ternehmer tätig. Er gründete imalgerischen Sétif für einen Genfer Getreideproduzenten eine Finanzgesellschaft, wie das von Schweizer Historikerinnen herausgegebene Buch «Postkoloniale Schweiz» dokumentiert. Das gleicheWerk stellt dar, dass nicht nur vermögende Unternehmer vom schweizerischen «Kolonialismus ohne Kolonien» profitierten, sondern auch Angehörige der Mit- tel- und Unterschicht. Söldner zum Beispiel, die als Frem- denlegionäre in französischen Kolonien kämpften. So ge- sehen ist das Erbe des lange verdrängten schweizerischen Beitrags zumKolonialismus ein Thema, das weit über eine Debatte um den Sturz von Denkmälern hinausgeht. Die Rolle der People of Colour Eher jüngeren Datums ist die durch die Proteste befeuerte Diskussion darüber, wie stark struktureller Rassismus durch den Staat das Leben schwarzer Menschen in der
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