Schweizer Revue 5/2020
Schweizer Revue / September 2020 / Nr.5 8 «Die Seele verkauft» In der Schweiz stehen die Kirchen oft mitten im Dorf. Die zentrale Lage und die Höhe der Kirchtürme machen Letztere zu begehrten Standorten für Mobilfunkantennen. Versteckt im Glockenturm stören die Sendemasten das Ortsbild kaum. Zudem bringen die Verträge mit den Telekomunternehmen den Kirchgemeinden Geld ein. Auf Druck der Basis lehnten es trotz- dem schon mehrere von ihnen ab, bestehende Sendeanlagen auf 5G umzurüsten oder neue 5G-Antennen im Turm zu installieren. So zum Beispiel in Oberburg (BE), in Alpnach (OW), in Kriegstetten (SO) und in Belfaux (FR). Nebst Angst vor Elektrosmog äusserten Gemeinde- mitglieder auch ethische Bedenken. Die Kirche dürfe nicht «ihre Seele verkaufen», sagte ein Diskussionsteilnehmer in Kriegstetten gemäss einem Bericht der Lokalzeitung. Als in Alpnach ein Votant zu bedenken gab, dass doch «über unsere Kirchtürme schon immer Informationen vermittelt wurden», blieb er in der Minderheit. (SWE) Schwerpunkt So bleibe man laut Munz in der Woh- nung vor unerwünschter Funkstrah- lung geschützt. Wie viel solche Strahlung den Leu- ten zugemutet wird, ist in der Schweiz gesetzlich festgelegt. Die geltenden Grenzwerte beimMobilfunk will der Bundesrat beibehalten, wie er im Frühling entschied. Damit kam die Landesregierung eher den 5G-Kriti- schen entgegen als der Telekombran- che. Diese wünschte sich eine Locke- rung, umweniger Antennen installie- ren zu müssen. 5G-Promotoren betonen Chancen Mit Einsprachen gegen Sendeanlagen mussten die Schweizer Mobilfunkun- ternehmen in den letzten zwanzig Jahren zwar immer wieder rechnen. Doch so stark wie bei 5G war der Widerstand noch nie. «Irrational» sei dies, befand die einflussreiche liberale Denkfabrik Avenir Suisse. Die bürger- liche «Neue Zürcher Zeitung» wiede- rum sieht eine «Querfront gegen den Fortschritt» am Werk. Die Telekom- branche selber warnt vor gravieren- den Auswirkungen auf die Leistungs- fähigkeit der Kommunikationsnetze und fordert mehr Unterstützung durch die Politik. Im nationalen Par- lament werden nun befürwortende Stimmen laut, bei Grünliberalen und Freisinnigen: Die 5G-Digitalisierung biete Chancen, nicht nur wirtschaft- lich, auchpunktoNachhaltigkeit, zum Beispiel in der Landwirtschaft. Zu den gesundheitlichen Beden- ken sagt der freisinnige Nationalrat ChristianWasserfallen (BE): «Neunzig Prozent der Strahlung, die wir auf- nehmen, stammt vom eigenen Mobil- funkgerät, nicht von der Sendean- tenne.» Er fordert deshalb vom Bund eine Informationskampagne zu 5G. Ob das genügt, wird sich zeigen. Fest steht: Viele Schweizerinnen und Schweizer wollen mitbestimmen, wenn die technologische Infrastruk- tur des 21. Jahrhunderts errichtetwird. Ob sich dabei die Modernisierer oder die bewahrendenKräfte durchsetzen, wird wohl an der Urne entschieden: Gleich fünf kritische Volksinitiativen zu 5G sind angekündigt. Vor laufender TV-Kamera sagte dazu einer der Geg- ner: «Ein Volksaufstand ist imGang!» Die Befürworter des 5G-Standards sehen die Technologie auch als Schlüsselelement für selbstfahrende Fahrzeuge. Im Bild ein Testfahrzeug der Post in Sitten. Foto Keystone Martina Munz (SP): «Acht Prozent der Bevölkerung be- zeichnen sich als elektrosensitiv.» Foto parlament.ch Christian Wasserfallen (FDP): «Neunzig Pro- zent der Strahlung, die wir aufnehmen, stammt vom eigenen Smartphone.» Foto parlament.ch Rebekka Meier, 5G-Gegnerin: «Da wer- den künstliche Bedürf- nisse erzeugt.» Foto schutz-vor-strahlung.ch
RkJQdWJsaXNoZXIy MjYwNzMx