Schweizer Revue 6/2020

Schweizer Revue / November 2020 / Nr.6 27 ten gerne besuchen, ist dies aufgefallen. Die Folgen für den Tourismus scheinen insgesamt aberminim. «Für uns hatte das sogenannte Burkaverbot keine Auswirkungen», so Giuseppe Rossi, Direktor des luxuriösen Fünf-Stern- Hotels Splendide Royal amSeeufer von Lugano. Der Anteil der Araber an der Kundschaft sei nach Einführung des Ver- bots konstant geblieben. Im Tessin generierten Gäste aus den Golf-Staaten letz- tes Jahr 32000 Logiernächte, was gerade mal 1,7 Prozent des gesamten Gästeaufkommens ausmacht. Allerdings: Das Tessin verzeichnete zwischen 2015 und 2019 einen Rückgang der Übernachtungen von Touristen aus den Golfstaaten um rund 28 Prozent. «Welchen Einfluss die Entscheidung zum Verhüllungsverbot auf den Tourismus imTessin dabei genau hat, ist schwer abzuschätzen, da nur ein kleiner Anteil dieser Gäste eine Burka oder Nikab trug», heisst es bei Ticino Turismo. Für den Gästerückgang wird nicht das Burkaverbot, sondern die Krise zwischen Qatar und dem Golf Cooperation Council sowie die daraus resultierende Verschlechterung der Flugverbindungen nach Europa verantwortlich gemacht. Tourismusdestinationen mit einem höheren Anteil an Gästen aus dem arabischen Raum sehen einem allfälligen Verbot allerdings dochmit etwas Bauchweh entgegen. Das machte eine Podiumsdiskussion über die Verhüllungsini- tiative klar, welche im Januar 2017 in Interlaken stattfand. Gemäss einem lokalenZeitungsbericht sagte der damalige Interlakner Tourismus-Vizedirektor Stefan Ryser: «Die Gäste aus Golfstaaten sind sehr gute Gäste. Sie bleiben durchschnittlich fünf Nächte, und der Umsatz stimmt.» Die Reiseveranstalter aus diesen Quellenländern würden die Diskussionen über das Verhüllungsverbot durchaus wahrnehmen und sich Überlegungen dazu machen. Ande- rerseits gabenHoteliers zu bedenken, dass sich europäische Gäste – etwa im Frühstücksraum – angesichts der Präsenz von vollverschleierten Frauen unwohl fühlten. Im Raum Interlaken generierten Gäste aus den Golfstaaten und Ara- bischen Emiraten letztes Jahr 92000 Logiernächte, was 8,6 Prozent aller Übernachtungen entspricht. Auch hier ist die Zahl rückläufig. 2015 lagen die Logiernächte dieser Gäste­ gruppe noch bei 120000, mit einemAnteil von 13,1 Prozent am Total. Tourismusexperten hüten sich vor offiziellen Stellung- nahmen in Bezug auf die Verhüllungsinitiative. Die Touris- mus-Organisation Interlaken (TOI) verweist darauf, poli- tisch und konfessionell neutral zu sein. «Das heisst auch, dass wir unsere Gäste nicht nach Rasse und Religion trennen. Interlaken heisst alle Gäste willkommen», sagt TOI-Sprecher Christoph Leibundgut. Dazu kommt: An­ gesichts der gewaltigen Auswirkungen der Corona­ Pandemie auf den Tourismus erscheint das Problem der Verhüllung momentan eher sekundär. GiorgioGhiringhelli darf sichderweil freuen. DerMann aus dem Tessin hat ganz alleine begonnen, doch dank direktdemokratischerMittel schon jetzt eine intensiveDis- kussion bis auf Bundesebene angestossen – unabhängig vomAusgang der Abstimmung imMärz. GERHARD LOB IST FREIER JOURNALIST IM TESSIN Eine verschleierte Touristin trifft in Genf auf einheimische Folkloregruppe: Das Egerkinger Komitee möchte Begegnungen dieser Art verboten haben. Foto Keystone (2015)

RkJQdWJsaXNoZXIy MjYwNzMx