Schweizer Revue 6/2020

Schweizer Revue / November 2020 / Nr.6 3 Die direkte Demokratie ist für die Schweiz prägend. Jeder und jede erhält regelmässig die Möglichkeit, an der Urne die Politik des Landes mitzubestimmen. Doch genau diese tief verankerte Mitbestimmungs­ kultur war während Monaten pandemiebedingt aus­ gesetzt, blockiert, eingefroren. Im Herbst erlebte sie nun ihren eindrücklichen Frühling: Der 27. Septem­ ber wurde zum «Supersonntag», zum Tag der vielen Volksentscheide von Tragweite – dies bei enorm hoher Stimmbeteiligung. Grösste Tragweite hat das klare Nein der Schweizerinnen und Schweizer zur «Begrenzungsinitiative» der SVP. Sie klären damit ihre Haltung zur Euro­ päischen Union (EU): Sie wollen den partnerschaftlichen, bilateralen Weg mit der EU weiterführen. Ein Ja zu dieser Initiative hätte unweigerlich zur Aufkündigung des heu­ tigen engen Verhältnisses zwischen der Schweiz und der EU geführt. Als Nicht-EU-Land kann die Schweiz nicht aus der EU austreten. Aber für das von der EUumgebene Landwäre die Aufkündigung der bilateralenVertragswerke ein Schritt von vergleichbarer Dramatik. Der Volksentscheid ist klar. Eine grenzenlose Liebeserklärung an Brüs­ sel ist er aber nicht. Die Liaison zwischen der Schweiz und der EU ist näm­ lich von widersprüchlichen Gefühlen geprägt. Einerseits führt die enge Nachbarschaft zu inzwischen ganz selbstverständlichen wirtschaftlichen, kulturellen und auch persönlichenVerflechtungen. DieMehrheit der Schwei­ zerinnen und Schweizer ist aber nicht in erster Linie beeindruckt von der EU als Institution, sondern begeistert vom Europa der offenen Grenzen, vom Hauch weiter Welt, ermöglicht durch die Personenfreizügigkeit – also ge­ prägt von der Bewegungsfreiheit, die noch viel wertvoller erscheint, seit der Lockdown uns eine kleine, enge Schweiz der dichten Grenzen erleben liess. Die pragmatische Einsicht dominiert: «Europäische Offenheit» und Durch­ lässigkeit ist nur in einem geregelten Verhältnis mit der EU zu haben. Die Stimmberechtigten aus der Fünften Schweiz – diemeisten von ihnen leben in der EU – haben sich am «Supersonntag» übrigens besonders wuch­ tig für den bilateralen Weg ausgesprochen. Ist somit in Sachen Schweiz–EU für eine Weile alles klar? Mitnichten. Auch ein Konkubinat braucht Ab­ machungen – und genau dieses diplomatische Ringen über die konkreten vertraglichenVereinbarungen zwischen der Schweiz und der EU geht weiter. Die Ausgangslage verspricht viel Dramatik, wie wir im Schwerpunkt dieser «Revue» aufzeigen. MARC LETTAU, CHEFREDAKTOR Editorial 5 Briefkasten 8 Schwerpunkt Das Paar Schweiz–EU pflegt eine recht komplizierte Fernbeziehung 10 Gesellschaft Corona-Pandemie: Der Schweizer Weg ist auf dem Prüfstand Der Steinbock gilt als König der Alpen. Warum rottete man ihn zuerst aus? Schweizer Stadtbewohner verzichten immer häufiger aufs eigene Auto 18 Reportage Der einzige offizielle Einsiedler der Schweiz lebt alles andere als einsam 21 Literaturserie 22 Wissen Wie tönt die Schweiz? Expedition zu den schmatzenden Maden im Boden 25 Politik Der 27. September war ein politischer «Supersonntag»: Die Resultate Die Schweiz debattiert über ein landesweites Verbot der Burka Gegen den Import von Palmöl regt sich hartnäckiger Widerstand 31 ASO-Informationen 36 news.admin.ch 38 Gelesen / Gehört 39 Herausgepickt / Nachrichten Inhalt Die Schweiz und Europa Titelbild: Steinbock am Niederhorn (BE), fotografiert von Martin Mägli, www.naturbild.ch Herausgeberin der «Schweizer Revue», dem Informationsmagazin für die Fünfte Schweiz, ist die Auslandschweizer-Organisation (ASO).

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