Schweizer Revue 1/2021
Schweizer Revue / Februar 2021 / Nr.1 27 INTERVIEW: MARC LETTAU Im Parlament der Fünften Schweiz, dem Auslandschweizerrat (ASR), vertreten 44 Frauen und 76 Männer die Schweizer gemeinschaft im Ausland. Sie sagen: Dieser Anteil ist zu gering. Ja, er ist schon deshalb zu gering, weil die Frauen in der Fünften Schweiz die Mehrheit bilden. Von den 770000 Schweizerinnen und Schweizern im Ausland sind 54 Prozent Frauen. Es geht aber um mehr als um Prozente: Ein Rat soll die Gemeinschaft, deren Interesse er vertritt, möglichst gut ab bilden. Sind Frauen angemessen ver treten, verändern sich auch die politi sche Agenda, die Diskussionskultur und die Lösungssuche. Wir sehen das zurzeit in der Schweiz. Der Frauen streik undweitere Initiativen führten dazu, dass 2019 mehr Frauen ins Eid genössische Parlament gewählt wur den. Die inhaltlichen Folgen werden jetzt sichtbar. Im Nationalrat sind 42 Prozent Frauen, im Auslandschweizerrat sind es 36 Prozent. Nun soll er auch dort auf über 40 Prozent steigen? Pragmatisch gesagt: ja. Ein Frauenan teil von 40 Prozent im Parlament der Fünften Schweiz wäre ein toller, ers ter Schritt. Und welches wäre der zweite Schritt? Das eigentliche Ziel lautet 50 Prozent odermehr, denn es gilt eben dieDiver sität der Fünften Schweiz im ASR so gut wie möglich abzubilden. Wer Di versität – Vielfalt – gut abbilden will, verfolgt damit übrigens keinen Selbst zweck: Diversität ist immer auch eine «Ein Frauenanteil von 40 Prozent wäre ein toller, erster Schritt» Frauenförderung: Dieses Ziel verfolgt auch die Auslandschweizer-Organisation. Eine konkrete Möglichkeit dazu bieten die Wahlen in den Auslandschweizerrat. Was erhofft sich im Hinblick auf diese Wahlen ASO-Direktorin Ariane Rustichelli? Bereicherung und eine Voraussetzung für bessere und breiter getragene Ent scheide. Mit Frauenförderung allein ist die gesell schaftliche Vielfalt noch nicht abgebildet. Das ist zutreffend. Wir dürfen auch das Ziel nicht aus denAugen verlieren, die verschiedenen Generationen bes ser einzubinden. Konkret: Auch die Jungen sind stärker zu integrieren. Was kann die Auslandschweizer-Organisation punkto Frauenförderung mehr tun, als sich mit Appellen an die Wählerschaft zu richten? Appelle genügen nicht. Frauenförde rung muss auf allen Ebenen und in allen Gremien erfolgen. In der Pflicht sind insbesondere auch die Schweizer vereine und dieDachverbände, welche die ASR-Wahlen dezentral durchfüh ren. Nehmen auch sie es mit der Frau enförderung ernst, wird die Zahl der Kandidatinnen steigen. Kandidieren mehr Frauen, werden auch mehr Frauen gewählt. Die ASO will, dass in Zukunft alle Ausland schweizerinnen und -schweizer eines Landes an den ASR-Wahlen teilnehmen können, unabhängig davon, ob sie in einem Schweizerverein eingeschrieben sind oder nicht. Würde eine solche Direktwahl die Frauen zusätzlich fördern? Können mehr Frauen wählen und kandidieren, steigen ihre Chancen. So ist es zumindest in der Theorie. Die Praxis zeigt aber, dass ein System wechsel alleine nicht ausreicht. Es braucht ein Umfeld, das Frauen ermu tigt. Es ist oftnoch so, dass sich Frauen weniger legitimiert fühlen, umfür ein Amt zu kandidieren. Da schwingen vielleicht nicht mehr ganz zeitge mässe Rollenbilder mit. Für 2021 sind diese Überlegungen noch hypothetisch, denn es findet keine Direktwahl statt. Das ist zutreffend. Direktwahlen ge lingen am besten, wenn alle ihre Stimme online abgeben können. Doch die E-Voting-Rückschläge in der Schweiz haben uns zurückgeworfen: Es sind keine staatlichen Lösungen mehr verfügbar. Deshalb setzen wir nun auf ein alternatives Online-Ab stimmungssystem. Wir haben es be reits evaluiert. Doch dessen Beschaf fung und Einführung braucht Zeit. Unser Vorgehen verdeutlicht aber, wie wichtig die Einführung von Direkt wahlen bleibt. Mit gutem Grund: Direktwahlen erhöhen die Repräsen tativität und das politische Gewicht des ASR. Eine Wahl rund um den Globus Seit Januar und noch bis im Juni 2021 werden überall auf der Welt die Delegierten fürs Parlament der Fünften Schweiz, den Ausland- schweizerrat (ASR), gewählt. Zu bestimmen sind insgesamt 140 Mitglieder: 120 Delegierte der Schweizergemeinschaften im Ausland und 20 Vertreterinnen und Vertreter aus dem In- land. Durchgeführt werden die Wahlen dezent- ral und nicht in allen Ländern nach demselben Modus. Schweizervereine und Dachorgani sationen informieren über die von ihnen organisierten Wahlen auf den Regionalseiten der «Schweizer Revue». (MUL) SwissCommunity ASO-Direktorin Ariane Rustichelli: «Frauenförderung muss auf allen Ebenen und in allen Gremien erfolgen.»
RkJQdWJsaXNoZXIy MjYwNzMx