Schweizer Revue 2/2021

Schweizer Revue / April 2021 / Nr.2 12 Gesehen Über kaum einen Autor – und schon gar keine Autorin – wurde in der Schweizer Literatur der letzten 100 Jahre mehr geforscht, geschrieben und publiziert als über Annemarie Schwarzen- bach. Die langanhaltende Faszination für die Zürcher Reisejournalistin, Schriftstellerin und Fotografin, die in den 1930er-Jahren um den Globus reiste, gründet in ihrer aussergewöhn­ lichen und tragischen Biografie, ihrer konflikt­ reichen Familiengeschichte, ihren exotischen Reisen, ihrer Homosexualität und ihrer Drogen­ sucht. Während ihr Freundeskreis von Litera­ ten um Erika und Klaus Mann ab 1933 ins ame- rikanische Exil ging, verliess Schwarzenbach ihre Heimat in die entgegengesetzte Richtung und bereiste Länder wie Afghanistan, Iran, Türkei, Sowjetunion oder Belgisch-Kongo. Ihre Reisen waren oftmals auch eine Flucht – aus ihrer grossbürgerlichen, mit demNationalso­ zialismus sympathisierenden Familie, aus tra­ ditionellen Geschlechterrollen, aus Drogen und Depression. Oft jedoch erfolglos. Obwohl Schwarzenbach sich vor allem als Autorin ver- stand – sie hielt in rund 300 journalistischen und feuilletonistischen Texten die gesellschaft- lichen und politischen Umbrüche und Konfli­ kte der Zwischenkriegszeit fest – widmet sich das Zentrum Paul Klee in Bern in der Ausstel- lung Aufbruch ohne Ziel ihrem bisher unbe- kannten fotografischen Schaffen. Denn mit auf Reisen war stets auch ihre Rolleiflex, bekannt für das quadratische Format der Bilder. Diese zeigen, wie die Schweizerin auf die Welt von damals blickte. EVA HIRSCHI Bilder aus: Schweizerisches Literaturarchiv | Schweizerische Nationalbibliothek, Bern, Nachlass Annemarie Schwarzenbach 1 2 Einsame Freiheit

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