Schweizer Revue 2/2021

Schweizer Revue / April 2021 / Nr.2 7 Hat fast die Aura eines in Blau gehüllten, unterirdischen Tempels: das Trink- wasserreservoir Lyren in Zürich-Altstetten. Foto Keystone Grundwasser, 20 Prozent aus den Seen. Die grössten Grundwasservor- kommen sammeln sich unter den Tal- böden und fruchtbaren Ebenen des Schweizer Mi tt ellandes – dort, wo Ge- müse und Getreide angebaut wird. Auf den intensiv genutzten Landwirt- scha ft s fl ächen kommen seit Jahrzehn- ten Pestizide zumEinsatz, die für Kon- troversen sorgen. Jüngstes Beispiel ist das Fungizid Chlorothalonil: Der Wirkstoff ist in P fl anzenschutzmi tt eln erhalten, die seit den 1970er-Jahren über Äckern versprüht wurden, um Pilzbefall zu bekämpfen. Der Wirkstoff ist seit 2020 verbo- ten, nachdem die Behörden den Sto ff als potenziell gesundheitsgefährdend einstu ft en. Dass der Stoffwahrschein- lich krebserregend ist, wird vom Her- steller Syngenta he ft ig bestri tt en. Der Agrochemiekonzern erreichte auf ge- richtlichemWeg, dass das Bundesamt für Landwirtschaft einenentsprechen­ den Hinweis bis zum de fi nitiven Bun- desgerichtsentscheid in dieser Sache von seinerWebseite en tf ernenmusste. Trotz Chlorothalonil-Verbot ist das Problem für die Trinkwasserver- sorgung noch nicht gelöst. Denn die Abbausto ff e des P fl anzenschutzmit- tels – sogenannte Metaboliten – belas- ten das Grundwasser noch während Jahren weiter. Laut Bundesvorschrif- ten dürfen solch «relevante» Sto ff e den Wert von 0,1 Mikrogramm pro Liter Trinkwassernicht überschreiten. Doch genau dies ist in Zonen intensiver Landwirtschaft im Schweizer Mi tt el- land der Fall, zum Beispiel im Kanton Solothurn: «In den Talebenen werden die Höchstwerte in fast allen Wasser- fassungen überschri tt en, in einzelnen Fällen bis zum zwanzigfachen Wert», konstatiert Martin Würsten. Der frü- here Chef des Solothurner Umwelt­ amtes engagiert sich seit seiner Pensi- onierung für die Interessengemein- schaft «4aqua». Darin haben sich Dut- zende Wasser- und Umwel tf achleute zusammengeschlossen, umdemWas- ser «eine faktenbasierte politische Stimme» zu geben. Eine Million Einwohner betroffen Diese Stimme wurde aus Würstens Sicht in den letzten Jahrzehnten zu wenig gehört. «Während man bei der Abwasserreinigung riesigeFortschri tt e erzielt hat, hat sich die hohe Belastung der Gewässer durch die Landwirt- schaft in den letzten 20 Jahren kaum verbessert.» Würsten stört sich auch daran, dass noch längst nicht alle auf die Felder gebrachten Pestizide so de- tailliert untersuchtwurdenwie jüngst Chlorothalonil. Denn: «Was heute für dieGesundheit nochnicht als relevant gilt, wird es morgen sein.» Die Fach- leute von «4aqua» verlangen deshalb unter anderemmehr Transparenzund Kontrolle bei der Zulassung von syn- thetischen Pestiziden. Aktuell sind in der Schweiz rund 370 Wirksto ff e im Gebrauch. ImMi tt ellandwerdenderzeit rund eine Millionen Menschen mit pesti- zidbelastetem Trinkwasser versorgt, das den Anforderungen des Lebens- mi tt elrechtes nicht genügt. Die Be­ hörden haben den Trinkwasser-Ver- sorgern eine Frist von zwei Jahren eingeräumt, um die Chlorothalonil­ Rückstände unter den erlaubten

RkJQdWJsaXNoZXIy MjYwNzMx